Die Afghanin (16) wurde laut Anklage vom Bruder erstochen - ein Verbrechen aus “Bruderliebe, Ehrgefühl und Hass“. Die Eltern sagen am 5. Januar aus. Eindrücke von Morsal.

Es ist ein Schwurgerichtsprozess, der schon im Vorfeld für Aufsehen sorgte. Ein Prozess um den gewaltsamen Tod der Morsal Obeidi , um ein Verbrechen aus "Bruderliebe, Ehrgefühl und Hass" - von heute an muss sich Ahmad-Sobair Obeidi (24) vor der Großen Strafkammer 21 des Landgerichts wegen Mordes verantworten.

"Unser Mandant wird sich im Prozess nicht zur Sache äußern", kündigte sein Verteidiger Thomas Bliwier gegenüber dem Abendblatt an. Obeidi habe sich bereits bei den Gerichtssachverständigen geäußert, bestreite die Tat nicht. Dem Gericht ging ein Befangenheitsantrag zu, in dem von der Verteidigung der Gutachter der Staatsanwaltschaft, Dr. Michael Kreißig, abgelehnt wird. Der kommt zum Ergebnis, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist. "Wir halten ihn für fachlich ungeeignet und befangen, das Gutachten für nicht tragfähig", sagte Bliwier. Das Gericht beauftragte ebenfalls eine Gutachterin, Dr. Marianne Röhl. Sie kommt zu einem anderen Ergebnis, dass der Angeklagte vermindert schuldfähig ist. Ein weiterer Streitpunkt: Ob der Angeklagte wegen Mordes verurteilt wird oder nur wegen Totschlags. In beiden Fällen geht es um vorsätzliche Tötung. Der Unterschied: Bei Mord müssen besondere Mordmerkmale hinzukommen, hier droht lebenslange Haft. Die Anklage geht von Mord aus, denn: Er habe seine Schwester Morsal "heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen" erstochen, da sie sich aus seiner Sicht von der Familie abgewendet, sich unangemessen bekleidet in der Öffentlichkeit bewegt hatte, er glaubte, sie würde als Prostituierte arbeiten. Bliwier: "Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft die Mordmerkmale nicht wird beweisen können, weil sie nicht vorliegen."


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Der Verhandlungssaal 237 ist legendär. Dort wurde schon der weltweit erste Prozess um die Anschläge des 11. September 2001 verhandelt, gegen Terrorhelfer Mounir El Motassadeq. Der Zuschauerraum für 140 Personen ist durch Panzerglas gesichert. Das Landgericht hat bis zum 5. Februar zehn Verhandlungstage anberaumt, mit 27 Zeugen, drei Sachverständigen, für heute sind vier Zeugen geladen. Die Eltern des Opfers sollen am 5. Januar 2009 aussagen. Medien aus ganz Deutschland haben sich angesagt. Das Landgericht erließ eine Sicherheitsverfügung, Besucher werden auf gefährliche Gegenstände untersucht. Die Frauenrechtsorganisation "Terre des Femmes" kündigte für heute eine Kundgebung vor dem Strafjustizgebäude an, um "ein deutliches Zeichen" gegen "Ehrenmorde" zu setzen.

Wie berichtet, hatte Morsal Obeidi sich zwei Tage vor ihrem Tod in der Gewaltambulanz der Rechtsmedizin am UKE untersuchen lassen. Sie berichtete den Ärzten, dass ihr Vater auf sie eingeprügelt und ihr Bruder sie zur Bewusstlosigkeit gewürgt habe. Eine Ärztin diagnostizierte Verfärbungen im Gesicht, Narben am ganzen Körper. Einige stammten von Zigaretten, Selbstverstümmelungen, aber auch von den Misshandlungen ihrer Familie.

Morsals Aussage erschien der Ärztin plausibel. Sie empfahl, dass die 16-Jährige bis auf Weiteres beim Kinder- und Jugendnotdienst bleiben sollte. Geschrieben wurde der Befund am 16. Mai 2008 - einen Tag nach Morsals Tod.