Nur in Berlin ist das Risiko größer, Opfer eines Einbruchs zu werden. Kriminologe Pfeiffer aus Hannover fordert neue Wege und startet Projekt.

Hamburg/Wiesbaden. Kürzlich traf es Udo Jürgens. Ganoven drangen in das Haus des Sängers in der Schweiz ein und stahlen seine wertvolle Uhrensammlung. Der Showstar berichtete danach, er sei zutiefst seelisch verletzt. Den gleichen Alptraum erleben täglich Dutzende Menschen in Deutschland. Während die Kriminalität insgesamt zurückgeht, stieg die Zahl der Einbrüche in Wohnungen und Einfamilienhäuser 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 9,3 Prozent. Von den 132 595 Fällen wurden nur 16,2 Prozent aufgeklärt.

Besonders in Berlin und Hamburg ist das Risiko groß, Opfer eines Einbruchs zu werden: In Berlin ist die Gefahr, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden besonders groß. Im Jahr 2011 wurden hier 11.006 Fälle pro 100.000 Einwohner von der Polizei erfasst, die Aufklärungsquote lag bei 8,1 Prozent. Platz zwei belegt Hamburg mit 6482 Fällen (Aufklärungsquote 8,3 Prozent). Dabei war 2011 die Zahl der Einbrüche sogar gesunken.

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Den dritten Platz auf dem Einbruchsranking belegt Köln mit 5.084 Fällen und einer Aufklärungsquote von nur 6,4 Prozent. Das geht aus der vom Bundeskriminalamt in Wiesbaden veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Auf Rang vier steht Düsseldorf mit 3.350 Fällen und einer Aufklärungsrate von 9,7 Prozent vor Bremen mit 2.772 Fällen (9,6 Prozent) und Frankfurt am Main (2386 Fälle/12,5 Prozent).

„Man muss neue Wege gehen, um dem Wohnungseinbruch Herr zu werden“, fordert der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN), Christian Pfeiffer. Die niedrigen Aufklärungsraten in vielen Städten seien skandalös. Mit diesem Ziel startet der frühere niedersächsische Justizminister ein Forschungsprojekt mit Opferbefragungen in Bremerhaven, Hannover und Berlin in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei. Auch zwei süddeutsche Städte sollen hinzukommen.

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Während in Hannover im vergangenen Jahr 26,5 Prozent der Wohnungseinbrüche aufgeklärt werden konnten, waren es in Berlin nur 8,1 Prozent. Mit einem besseren Informationsfluss zwischen den einzelnen Polizeidienststellen und der Staatsanwaltschaft sowie einer personellen Aufstockung versuchen die Beamten der Bundeshauptstadt, den Einbrechern das Handwerk zu legen. Vorige Woche startete zudem eine groß angelegte Präventionskampagne.

Es gehe zunächst um schlichte Dinge wie die Wohnung abzuschließen und die Fenster richtig zuzumachen, betont der Sprecher der Berliner Polizei, Alexander Tönnies. „Wir reden hier nicht von Fort Knox.“ Die meisten Kriminellen gäben bereits nach fünf Minuten auf. In Berlin ebbt die Einbruchswelle trotz aller Anstrengungen bisher nicht ab. Im ersten Halbjahr 2012 gab es 5919 Fälle, knapp 700 mehr als in der ersten Hälfte des Vorjahres.

Die Täter gliedern sich der Polizei zufolge in drei Gruppen: Streng hierarchisch organisierte Banden aus Osteuropa, Drogenabhängige sowie Jugendliche. „Die Zunahme der Tatverdächtigen mit osteuropäischen Hintergrund deutet darauf hin, dass es Reisende sind“, sagt Michaela Heyer vom nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt in Düsseldorf. Die Bandenmitglieder ziehen teils mit wechselnden Identitäten von Ort zu Ort und gehen professionell vor. Als Täter schicken sie häufig junge Frauen vor, die zum Beispiel im Treppenhaus eines Mietshauses keinen Verdacht erregen.

Obwohl die Opfer die Halunken oft gar nicht zu Gesicht bekommen, leiden die meisten unter den Folgen. Nichts ahnend kehren sie aus dem Urlaub zurück und sehen Schubladen herausgerissen, ihre Kleider zerwühlt und geerbte Schmuckstücke gestohlen. Nach diesem Eingriff in ihre Intimsphäre ist für viele nichts mehr wie es war. „Die psychischen Folgen sind massiv. Jeder fünfte gibt nach einem Einbruch sogar die Wohnung auf“, zitiert Pfeiffer aus einer Studie seines Instituts, für die 11.500 Menschen im Alter zwischen 16 und 40 Jahren befragt wurden. Die Einbruchs-Opfer – jeder 20. der Befragten - berichteten sogar häufiger über Schock- und Angstzustände als Opfer von Körperverletzungen.

An die Opferhilfe-Organisation Weißer Ring wenden sich regelmäßig Menschen, die ein Wohnungseinbruch aus der Bahn geworfen hat. „Es ist ein Einbruch in die Seele. Das Gefühl, dass die Tat nicht aufgeklärt werden kann, belastet die Opfer zusätzlich“, sagt der Sprecher des Weißen Rings, Helmut K. Rüster. Seine Organisation fordert deshalb seit langem, dass auch bei Opfern von Wohnungseinbrüchen das Opfer-Entschädigungsgesetz greift. Bisher ist das Gesetz auf Opfer tätlicher Angriffe beschränkt

Die Großstädte im Süden waren übrigens weniger von Einbrüchen betroffen. So gab es in München lediglich 871 erfasste Fälle, die Aufklärungsquote lag in der bayerischen Landeshauptstadt bei 24,6 Prozent. Stuttgart verzeichnete 933 Fälle, von denen 21,7 Prozent aufgeklärt wurden.