Der Streit um das Abkommen mit der Schweiz droht zu eskalieren. Hamburg und Schleswig-Holstein befürworten Kauf von Steuer-CDs.

Hamburg. In der Debatte um den Ankauf von gestohlenen Steuersünder-Daten schlägt sich auch die Kieler Landesregierung auf die Seite der Befürworter. „Aus Sicht Schleswig-Holsteins hat sich das bisherige Verfahren beim Ankauf von Steuerdaten-CDs bewährt und sollte fortgeführt werden“, sagte die Finanzministerin, Monika Heinold (Grüne), am Freitag in Kiel. Schleswig-Holstein werde sich nach derzeitigem Stand am Kauf von Steuerdaten-CDs weiterhin beteiligen. Nordrhein-Westfalen hatte im August Daten über mutmaßliche Steuerbetrüger mit Konten in der Schweiz gekauft. Das Bundesfinanzministerium kritisierte den Deal. „Wer auf Datendiebstahl setzt, handelt in einer politischen und rechtlichen Grauzone“, hatte der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) am Donnerstag in Berlin erklärt.

Durch den Kauf von Steuersünder-Dateien steigt die Zahl der Selbstanzeigen nach Angaben des Kieler Ministeriums üblicherweise an. So auch jetzt – von Juni bis Juli gaben im Norden zehn Menschen an, dass sie zu wenig Steuern gezahlt hätten. Seit 2010 gab es 670 Selbstanzeigen. Dabei wurden Kapitaleinnahmen in Höhe von rund 179 Millionen Euro nachträglich angegeben. Sie betreffen die Einkommensteuer. Außerdem wurde Vermögen in Höhe von rund 86 Millionen Euro im Nachhinein gemeldet. Darauf wird Schenkungs- und Erbschaftsteuer fällig.

Der Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) hatte zuvor großes Interesse an den Steuer-CDs signalisiert. Tschentscher betonte gegenüber dem Abendblatt, er sei trotz des möglichen Steuerabkommens mit der Schweiz dafür, Daten über Steuersünder aufzukaufen. Mit Blick auf den aktuellen Fall sagte er: "Sollte es tatsächlich zu einem Ankauf einer weiteren CD durch Nordrhein-Westfalen kommen, wird sich Hamburg auch daran beteiligen. Wir haben kein Interesse daran, Straftäter entkommen zu lassen."

Wegen Steuerhinterziehung leiteten die Behörden 2011 landesweit 572 Straf- und Bußgeldverfahren ein. Durch Selbstanzeigen und Verfahren wegen Steuerhinterziehung fließen zusätzliche Gelder in Millionenhöhe an den Fiskus. Nach Angaben des Finanzministeriums waren es bisher 45 Millionen Euro. Noch rund 72 Millionen Euro stehen Schätzungen zufolge aus. Wie viele Strafverfahren im Zusammenhang mit Kapitalanlagen in der Schweiz stehen, werde statistisch nicht erhoben.

Heinold betonte: „Es ist unser Interesse, dass Bund und Länder wie bisher beim Ankauf von Steuer-CDs kooperativ zusammenarbeiten. Nur die Option auf ein zukünftiges Steuerabkommen mit der Schweiz darf nicht dazu führen, dass Steuerermittlungsverfahren nicht stattfinden.“

Das mit der Schweiz ausgehandelte Steuerabkommen soll ab 2013 gelten. Ab dann soll auf alle Kapitalerträge deutscher Kunden bei Schweizer Banken eine Steuer fällig werden, die so hoch ist wie die Abgabe in Deutschland. Auch altes Schwarzgeld soll einmalig besteuert werden. Im Bundesrat gibt es keine Mehrheit für das Abkommen. Es ist hoch umstritten. Der Konflikt bekam jetzt neuen Zündstoff durch Berichte, nach denen Schweizer Banken deutschen Kapitalflüchtlingen geholfen haben sollen, Schwarzgeld ins Ausland zu verschieben.

Der Chef des DGB-Nord, Uwe Polkaehn, forderte die Landesregierungen von Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern auf, den Ankauf von weiteren Datensätzen zu unterstützen. „Der Ankauf von Steuersünder-Dateien ist ein geeigneter Weg, die öffentlichen Einnahmen zu stärken. Millionäre mit steuerhinterzieherischen Absichten werden so zu Steuerehrlichkeit angehalten“, sagte der Gewerkschafter.

Arbeitnehmern werde automatisch ihre Lohn- und Einkommenssteuer vom Gehalt abgezogen. „Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, dass Superreiche, die ihren Reichtum als Schwarzgeld ins Ausland transferieren, viel stärker auf den Radarschirm der Finanzbehörden kommen“, betonte er. Deshalb sollte auch die Zahl der Steuerprüfer und Ausbildungsplätze in dem Bereich deutlich aufgestockt werden.

+++ "Wir hindern niemanden, mehr zu zahlen" +++

+++ Koalition kritisiert Steuerdaten-Kauf +++

Seit dem spektakulären Fall des ehemaligen Postchefs Klaus Zumwinckel 2008 haben die Bundesländer nach Angaben der Hamburger Finanzbehörde für 12,4 Millionen Euro fünf Schweizer Steuer-CDs angekauft. Daran hat sich Hamburg mit 157 000 Euro beteiligt. Das hat sich als einträgliches Geschäft erwiesen, denn mit Stand 1. August haben sich 888 Steuerhinterzieher in Hamburg selbst angezeigt - aus Sorge, ihr Name könnte auf einer der CDs stehen. Per 24. Juli waren es 879 Selbstanzeigen - im Schnitt gibt es also pro Tag mindestens eine Anzeige.

Bisher wurden in Hamburg rund 360 Millionen Euro Kapitaleinkünfte nachversteuert, was der Stadt Mehreinnahmen von 60 Millionen Euro eingebracht hat. Nochmals mindestens die gleiche Summe konnte die Stadt zudem an den Bund und die anderen Bundesländer weiterleiten - denn Steuern verbleiben nicht komplett in dem erhebenden Bundesland, sondern werden "zerlegt" und verteilt. Würde man allein die 60 Millionen Euro Mehreinnahmen in Relation zu den investierten 157 000 Euro setzen, ergäbe sich für den Finanzsenator eine Rendite von mehr als 38 100 Prozent. Allein 2010 - jüngere Zahlen liegen noch nicht vor - wurden in Hamburg 301 Steuerhinterzieher rechtskräftig verurteilt. Sie hatten 74,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen, die sie zurückzahlen müssen. Hinzu kommen Zinsen und eine Strafe.

Der jetzt bekannt gewordene Ankauf von Steuerdaten durch Nordrhein-Westfalen bringt auch neuen Zündstoff in den politischen Streit über das deutsch-schweizerische Steuerabkommen. Dieses gehöre "endlich in den Papierkorb", forderte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß in Berlin. Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer wollen das von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgehandelte Abkommen im Bundesrat blockieren, weil es Steuerbetrüger als Gegenleistung für eine geringe Einmalzahlung vor Nachforschungen bewahre.

Mit Material von dpa und dapd