Hamburg ist Zentrum bevorzugter Passagiere. Sie werden zum Jet chauffiert, haben eigene Duty-free-Shops. Doch ihre Zahl dürfte sinken.
Hamburg. Der kleinste Kundenkreis der Lufthansa ist an einer schwarzen Karte zu erkennen. HON Circle steht darauf. Die ehrenwerte Gesellschaft der HONs und ihre Privilegien - vom englischen honor (Ehre) abgeleitet - sorgen allerdings derzeit für Unmut unter den Vielfliegern der Kranichairline. Und das liegt nicht an ihren Vorteilen wie dem eigenen Terminal mit Restaurant und Duschen, eigener Passkontrolle und eigenem Duty-free-Shop in Frankfurt oder dem Chauffeurdienst mit Porsche Cayenne oder Mercedes S-Klasse aus der Lounge direkt zum Flugzeug.
Denn der Zirkel der HONs, der selbst auf den Lufthansa-Seiten im Internet durch ein Passwort abgeschottet ist, soll noch exklusiver werden. Von September an gelten nur noch mindestens voll bezahlte Businessclass-Flüge als Meilensammlung, um HON zu werden. Innerhalb von zwei Jahren müssen dann 600 000 Meilen erflogen werden - etwa 24-mal um die Welt. Und diese Flugfrequenz muss erhalten bleiben, um zum Kreis der Super-VIPs zu zählen. "Nichts", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg, "ist für diese Leute schlimmer, als den Status zu verlieren." Doch genau das droht nun einigen Kunden.
+++ Lufthansa in der Kritik - Vielflieger klagen über nachlassenden Service +++
Hamburg ist eine Hauptstadt der Lufthansa-HONs. Das ist der Wirtschaftskraft der Stadt und ihrer viel fliegenden Manager geschuldet. Ein Sprecher der Lufthansa wollte keine Zahlen zu den elitärsten aller Lufthansa-Kunden nennen. Unter Meilensammlern sind die Blicke bekannt, die zwischen den "normalen" Business-Kunden hin- und herfliegen, wenn ein HON dem Limousinenservice entsteigt und nach der persönlichen Ansprache der Flugbegleiter sich hinter ihm die Kabinentür schließt. Wenige Tausend HONs soll es weltweit geben. Etwa 20 Millionen Menschen sammeln Meilen bei Lufthansa Miles and More. Zu den HONs zählen auch wohlhabende Osteuropäer, die oft über die Drehkreuze Frankfurt oder München zu Destinationen weltweit unterwegs sind.
In der VIP-Hierarchie unter ihnen rangieren die Senatoren (130 000 Statusmeilen im Jahr) und die Frequent Traveller (35 000). Ihnen öffnen sich die Türen der jeweiligen Flughafenlounges. Doch Vielflieger beklagen gegenüber dem Abendblatt den erheblich gesunkenen Standard und Komfort. So hätten manche die vermeintlich exklusiven Lounges vor allem in Frankfurt schon verlassen, weil sie chronisch überfüllt waren. "Das ist ja wie in Mumbai", hieß es. Die Businessclass-Sitze werden bemängelt, die altbackenen Entertainment-Bordprogramme, das Essen. "Selbst die Flugbegleiter schauen die Senatoren schon mitleidig an", sagte einer dem Abendblatt.
Der Hamburger Uniprofessor Tobias Eggendorfer hatte die Lufthansa verklagt, weil plötzlich deutlich mehr Meilen erforderlich sein sollten, wenn man sich auf einer Langstrecke ein Upgrade in Business- oder First Class gönnen wollte. Der Lufthansa-Rebell bekam recht. Im Oktober wird die Berufung der Airline verhandelt. Mit der gestiegenen Meilenanforderung für bequemeres Sitzen wurden die Sammelkonten aller Miles-and-More-Kunden geschrumpft, argumentierte Eggendorfer. "Das war nur ein Tropfen auf ein volles Fass", sagte er dem Abendblatt zu seinem Unmut über die Lufthansa.
Weil er wegen der Geschäfte seiner privaten IT-Firma oft unterwegs ist, fühlte er sich zunächst als Kunde bevorzugt - bis es immer wieder Ärger mit Meilengutschriften gab, der Service schon bei der Hotline schlechter wurde, ihm die konkurrierenden Airlines demonstrierten, wie modern und komfortabel langes Reisen sein kann: "In der Businessclass ist zum Beispiel flach liegen wichtig für Vielflieger." Das meinten viele der vom Abendblatt Befragten. Auf den Strecken nach Asien, an die amerikanische Westküste oder nach Südamerika könnten die Lufthansa-Jumbos nicht mit den Maschinen anderer Airlines mithalten. Von Hamburg aus sind die Alternativen für Vielflieger überschaubar. Nach Asien lässt sich vortrefflich in Helsinki umsteigen. Finnair hat allerdings nicht den Komfort wie die Kranichlinie, ist jedoch günstiger und vor allem wegen anderer Flugrouten eine Stunde pro Strecke schneller. Sehr beliebt ist Turkish Airlines mit Zwischenstation in Istanbul. Über Frankfurt kommen auch Singapore und Thai Airways infrage. Beide genießen einen guten Ruf.
Die Lufthansa hat gerade ihre Singapur- und Jakarta-Verbindungen ab München gestrichen. Einen Großangriff auf deutsche Kunden hat Emirates gestartet, Hauptsponsor des HSV. Zwei tägliche Flüge ab Hamburg bietet die Premiumlinie, deren Maschinen meist komfortabler ausgestattet sind als die Lufthansa-Jumbos. Allerdings ist das Umsteigen in Dubai entweder mitten in der Nacht, dauert die Gesamtflugzeit etwas länger oder der Flug wird genau in der Hälfte unterbrochen, was einigen Reisenden nicht entgegenkommt. Die europäischen Konkurrenten der Lufthansa kommen für die Geschäftsreisenden wegen umständlicher Verbindungen oder niedrigeren Komforts meist nicht infrage.
Airline-Experte Schellenberg hält die Strategie der Lufthansa für richtig: "Die Vielflieger wollen Zeit und Wege sparen. Die Lufthansa sagt: Wir kümmern uns am Boden erstklassig um euch." Der HON-Status binde die gut betuchten Vielflieger. "Diese Kunden schauen nicht aufs Geld." Deshalb fliegen auch Passagiere, denen der Verlust des HON-Status droht, in verzweigten Routen um die Welt, nur um Meilen zu sammeln. Andere lassen ihre Firmenumsätze über die Miles-and-More-Kreditkarte laufen, damit sie Meilen sammeln und diese gegen Upgrades in die First oder Businessclass eintauschen. Über Internetforen tauschen sich die Statuskunden über ihre neuen Tricks im Netz aus. Erst einen Langstreckenflieger Airbus A330 hat die Lufthansa mit der neuen Businessclass und den flachen Betten ausgestattet. Weitere sollen folgen.
In einem offenen Brief von Vorstandschef Christoph Franz und Passagechef Carsten Spohr an die Mitarbeiter heißt es, dass der Gewinn deutlich gesteigert werden müsse. Dazu tragen laut Bilanz am meisten die Business-Kunden bei. Insgesamt drei Milliarden Euro sollen in das "Produkterlebnis" investiert werden, "um auch in Zukunft als Premiumairline die Nase vorn zu haben". Der Vorstand wisse, dass man zuletzt nicht immer dem "Qualitätsanspruch der Marke Lufthansa" gerecht geworden sei. Jedoch wird es im neuen Berliner Großflughafen nur eine kombinierte Megalounge für Business- und First Class geben. Die HONs erhalten kein eigenes Terminal. "Das gibt die Berliner Kundschaft nicht her", heißt es bei Lufthansa.