Allein 2009 werden 600 Millionen Euro neue Schulden gemacht. SPD fordert Konsolidierung. Finanzsenator Michael Freytag: “Wir stehen vor den schlimmsten Steuereinbrüchen in der Geschichte der Hansestadt.“
Hamburg. Dieses düstere Bild malte Hamburgs (CDU) gestern anlässlich der Mai-Steuerschätzung. "Die Lage ist ernst", sagte Freytag, verwahrte sich aber energisch gegen Forderungen nach einer Kürzung der Ausgaben. "Wir dürfen die aktuelle Krise nicht noch dadurch verschärfen, indem wir Hamburg jetzt kaputtsparen." Dafür gab es Unterstützung von der Linkspartei; aber Kritik von der SPD, die Ausgabendisziplin forderte.
Nach Freytags Worten klafft im Haushalt 2009 ein Loch von 520 Millionen Euro, hinzu kommen 75 Millionen Euro, die die Stadt beisteuern muss, um vom Konjunkturprogramm des Bundes profitieren zu können. Die Lücke von knapp 600 Millionen Euro soll komplett über die Aufnahme neuer Kredite geschlossen werden. Noch im Sommer werde ein Nachtragshaushalt aufgestellt.
Der Rückgang der Einnahmen ist nicht allein der Wirtschafts- und Finanzkrise geschuldet, sondern auch Entscheidungen auf Bundesebene: So schlage allein die Wiedereinführung der Pendlerpauschale in Hamburg mit 97 Millionen Euro pro Jahr zu Buche, sagte Freytag. Da die Hansestadt als Stadtstaat unter dieser Regel eher leide - weil sie die Arbeitnehmer ermutigt, aus der Stadt herauszuziehen -, könne er sich vorstellen, in einigen Jahren einen Vorstoß zur erneuten Abschaffung zu unternehmen.
Derzeit gelte aber: "Wir müssen uns antizyklisch verhalten." Gerade in Krisenzeiten müsse der Staat investieren - das seien die Lehren aus schweren Wirtschaftskrisen wie in den 30er-Jahren, so Freytag. Sparen komme ebenso wenig infrage wie Steuererhöhungen oder der Verkauf von städtischem Eigentum - so hatten die Senate im vergangenen Jahrzehnt regelmäßig ihre Haushalte ausgeglichen. Nicht ausschließen wollte der Finanzsenator hingegen, dass punktuell Steuern oder Abgaben gesenkt würden, etwa, um Unternehmen mehr Luft zu verschaffen.
Für 2010 bis 2012 sind die Aussichten noch schlechter als für dieses Jahr: Dann sollen die Steuereinnahmen sogar jeweils um 1,289 Milliarden Euro unter der letzten Prognose liegen. Insgesamt könnte die Stadt also mehr als 4,4 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen müssen. Damit würde sich die Verschuldung von derzeit knapp 22 Milliarden Euro um fast 20 Prozent erhöhen.
Der schwarz-grüne Senat hat allerdings eine "Tilgungsautomatik" beschlossen. Die infolge der Krise nötigen neuen Kredite sollen in einem "Sondervermögen" (wie schon bei der Rettung der HSH Nordbank) gebündelt und "so schnell wie möglich" (Freytag) zurückgezahlt werden. Bis wann das der Fall sein könnte, wollte der Senator nicht prognostizieren, aber er stellte klar: "Die Zeit der langen Wunschzettel ist vorbei." Auch wenn die Konjunktur wieder anziehe, würden Mehreinnahmen vorrangig genutzt, das "Sondervermögen" zurückzuzahlen.
Etwas sparen müssen CDU und GAL übrigens doch: Die Zinsen für die neuen Kredite - allein 2009 etwa 25 Millionen Euro - sollen aus dem laufenden Haushalt beglichen werden.
SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher kritisierte den Senat: "Spätestens im November war klar, dass die vorhergesagten Rekordeinnahmen nicht eintreten werden." Dennoch hätten CDU und GAL an unrealistischen Steuererwartungen festgehalten und die Betriebsausgaben weiter gesteigert. Er vermisse nach wie vor eine klare Konsolidierungspolitik. Das Versprechen Freytags, bei einem Anstieg der Einnahmen nicht wieder die Ausgaben zu erhöhen, nannte Tschentscher unglaubwürdig: "Genau derselbe Finanzsenator hat in den guten Jahren 2007 und 2008 das Gegenteil getan."
Joachim Bischoff, Finanzexperte der Linkspartei, lobte die Absicht, die Mindereinnahmen über Kredite zu decken: "Es macht keinen Sinn, über Haushaltssperren und Ausgabenkürzungen einen ausgeglichenen Haushalt erreichen zu wollen." Allerdings müsse Schwarz-Grün "endlich eingestehen, dass die Haushaltsplanungen für 2009/2010 kein solides Fundament haben". Der Bund der Steuerzahler bezeichnete die Finanzpolitik als kurzsichtig. Die Betriebsausgaben müssten der Realität angepasst werden, forderte Verbandschef Frank Neubauer.