Private Daten können künftig kaum noch geschützt werden. Meldeämter dürfen mit Informationen trotz Widerspruchs Handel betreiben.
Hamburg/Berlin. Ein neues Gesetz der Bundesregierung öffnet professionellen Adressenhändlern und der Werbebranche künftig Tür und Tor: Einwohnermeldeämter, wo Namen, Adressen und Titel jedes Bürgers gespeichert sind, dürfen diese künftig nicht nur verkaufen, auch ist jegliche Form des Widerspruchs dagegen fast zwecklos. Datenschützer und Oppositionspolitiker laufen dagegen Sturm. "Das ist eine massive Verschlechterung zur bisherigen Rechtslage", sagt Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert. Auch sein Hamburger Kollege Johannes Caspar pflichtet ihm bei: Bereits bei dem bisher geltenden Gesetz sei der Datenschutz der Bürger nicht ausreichend – aber der neue Entwurf reduziere die Rechte noch weiter.
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Im neuen Gesetz sollten die Rechte der Bürger eigentlich gestärkt werden: So stand noch im vorherigen Entwurf, dass Daten nur dann an Adresshändler oder Werbetreibende herausgegeben werden dürfen, wenn dem zugestimmt wurde. Doch anstatt den Datenschutz voranzutreiben, haben CDU und FDP kurzfristig noch den Entwurf geändert - nicht zum Vorteil der Bürger. Denn laut dem neuen Gesetz können die Einwohnermeldeämter die Daten weitergeben - nicht nur an öffentliche Stellen, sondern auch an Werbetreibende und Adresshändler. Es gibt zwar eine Widerrufsregelung - doch diese ist nach Ansicht der Datenschützer quasi wirkungslos. Denn Unternehmen und Adresshändler können jederzeit Daten abfragen, "wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden", wie es in dem Entwurf heißt. Da aber insbesondere große Unternehmen von vielen Menschen bereits Datensätze vorliegen haben, könnten meist Informationen eingeholt werden.
"Die derzeitige Regelung macht künftig in hohem Maße auch eine Auskunft entgegen dem Willen der Betroffenen möglich", sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Caspar. Das neue Gesetz gehe damit zu Lasten der Bürger. Auch sein schleswig-holsteinischer Kollege Weichert übt harsche Kritik: "Die Daten, die mal bei Adresshändlern gelandet sind, sind schwer wieder einzufangen", erzählt er. Und gerade wenn einmal die Adresse bei einem Unternehmen oder einem Adresshändler vorgelegen hätten, könnten die Daten nach dem neuen Gesetz immer wieder abgefragt werden.
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Doch wie konnte es zu diesem Gesetzesentwurf kommen? Die Datenschützer aus Hamburg und Schleswig-Holstein sind sich einig, dass Lobbyisten zu den Änderungen im Entwurf beigetragen haben. "An Kommunen und Datenschützern vorbei werden hier wirtschaftliche Lobbyinteressen bedient", äußert sich Weichert. Insbesondere sei dies problematisch, da es sich um eine öffentliche Stelle handele, die dann künftig kaum noch Datenschutz gewährleiste. "Es kann nicht Zweck eines hoheitlich geführten Registers sein, als Datenpool für die Werbebranche und den Adresshandel zu fungieren", sagt Caspar.
Auch in der Politik regt sich Widerstand - SPD, Grüne und Linke stimmten im Bundestag geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. "Das nützt den Adresshändlern und den Werbetreibenden. Es nützt aber nicht dem Bürger", sagt die stellvertretende innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Gabriele Fograscher im Gespräch mit abendblatt.de. Besonders schlimm sei dies, da der Bürger ja nicht freiwillig seine Daten beim Meldeamt Preis gebe. Vielmehr sei dies Pflicht - und das werde ihm dann nach dem neuen Gesetzesentwurf zum Nachteil. "Eigentlich müsste man davon ausgehen, dass die Meldeämter sorgsam mit den Daten umgehen. Und das ist jetzt völlig ausgehebelt", erzählt sie.
Ob das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, liegt beim Bundesrat. Noch sei nicht klar, wann diese Entscheidung getroffen werde. Die Datenschützer hoffen, dass das Gesetz dort noch gestoppt werde.