Ein Model für die Polizeikampagne wird als Dieb verdächtigt. Die Plakate werden jetzt ausgetauscht, Film muss neu gedreht werden.
Hamburg. Mit ernsten Gesichtern stehen Innensenator Michael Neumann (SPD) und Polizeipräsident Werner Jantosch am 30. November vor der Davidwache auf St. Pauli. Im Hintergrund hängen Plakate mit den Gesichtern von vier Models. Es sind die Gesichter der Imagekampagne "Gesucht! Gefunden! ", mit der die Polizei nach Nachwuchskollegen sucht. "Wir brauchen junge, engagierte Menschen, die diesen Beruf mit Herzblut ausüben", sagt Neumann bei der Enthüllung der 50.000 Euro teuren Kampagne.
Knapp drei Wochen später muss die Werbeaktion neu aufgelegt werden. Eine Frau will den dunkelhaarigen Mann mit Dreitagebart, der sich auf den Postern über seinen neuen Job freut, als mutmaßlichen Dieb identifiziert haben. Er soll der Frau Anfang August bei einem Treffen 500 Euro gestohlen haben. Obwohl der Mann die Tat bestreitet, hat die Polizei das Model aus der Kampagne gestrichen. Alle Plakate mit dem Gesicht des Mannes wurden aus dem Stadtgebiet entfernt. Innensenator Neumann sieht den Vorfall gelassen. "Das ist dumm gelaufen, aber man konnte es nicht absehen", sagt seine Sprecherin. Auch die Polizei bemüht sich, dem Fall nicht zu viel Bedeutung beizumessen. "Die Sache ist unglücklich, aber man sollte auf dem Teppich bleiben. Der Tatvorwurf ist gering", sagt Polizeisprecher Mirko Streiber.
+++ Hamburger Polizei wirbt mit mutmaßlichem Dieb +++
+++ Hamburger Polizei fahndet nach Nachwuchs +++
In Zusammenarbeit mit der Hamburger Werbeagentur Crone sucht die Polizei nun nach einem Ersatzmodel. Die Agentur, die auch das Casting der ersten vier Models organisierte, bedauert den Vorfall. "Das Gesicht passte", sagt Geschäftführer Jörg Crone. "Nun wird neu gecastet." In Kürze will die Polizei das neue Gesicht präsentieren. Ganz bewusst hat sich die Polizei gegen eigene Mitarbeiter als Models entschieden. "Es gab die Überlegung, aber der Aufwand wäre zu groß gewesen. Wir brauchen dringend Nachwuchs, da haben wir keine Zeit für ein eigenes Casting", sagt Streiber. Man wollte zudem Gesichter mit einem "professionellen Ausdruck, die eine große Aufmerksamkeit bekommen", so Streiber.
Uwe Koßel, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht das anders. "Hätte die Polizei junge engagierte Kollegen für die Plakate fotografieren lassen, hätte sie sich jede Menge Geld und Ärger gespart." Koßel ist sich sicher, dass die Wirkung der Aktion dann sogar noch besser gewesen wäre. "Echte Polizisten Anfang 20 auf den Plakaten zu zeigen ist schließlich authentischer als Models - und die Kollegen hätten kostenlos bei der Kampagne mitgewirkt." Auch Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), räumt ein, dass eigene Mitarbeiter eine Alternative gewesen wären. "Schließlich gibt es bei der Polizei viele junge hübsche Kolleginnen und Kollegen", sagt er. "Da wäre man sicher fündig geworden."
Über die Höhe der Zusatzkosten will die Polizei noch keine Angaben machen. Der Imagefilm, der vorübergehend von der eigenen Internetseite genommen wurde, muss genauso neu produziert werden wie die vielen Poster und Plakate. "Im Vergleich zu anderen Kampagnen ist das aber eine Low-Budget-Produktion", sagt Streiber.
Der Fall des mutmaßlichen Diebes beschäftigt nun die Staatsanwaltschaft. Noch ist aber völlig unklar, ob es zu einer Anklage kommt. "Es spielen viele Faktoren eine Rolle", sagt Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Im schlimmsten, allerdings sehr unwahrscheinlichen Fall droht dem Mann eine Haftstrafe.
Eine ähnliche Geschichte sorgte in Hamburg bereits vor acht Jahren für Schlagzeilen. Der Kriminalbeamte Murat D. warb damals als Aushängeschild für türkischstämmige Migranten für eine Laufbahn bei der Polizei. Kurze Zeit später wurde er suspendiert und verhaftet, weil er bei der Polizei Drogen gestohlen und sie teuer verkauft hatte.
Bundesweite Schlagzeilen machte 1992 auch Sam Meffire. Der erste farbige Polizist Sachsens warb mit seinem Gesicht und dem Slogan "Ein Sachse" auf Plakaten gegen Ausländerfeindlichkeit. Sechs Jahre später musste er wegen mehrerer Raubüberfälle für sechs Jahre ins Gefängnis.
Um einen solchen Fall zu verhindern, überprüfte die Hamburger Polizei vor ihrer Imagekampagne die Personalien der ausgewählten Models - ohne Hinweise auf Straftaten. Diese kamen erst, als die Plakate schon in der Stadt hingen. Streiber nimmt die Angelegenheit auch mit Humor. "Immerhin haben wir große Aufmerksamkeit für unsere Kampagne bekommen."