Die Gewerkschaft befürchtet, dass Niedersachsen die Qualität des Nachwuchses nicht halten kann. Zahl der Bewerbungen eingebrochen.
Hannover. Im September endete die Bewerbungsfrist für die Bachelorausbildung bei der Polizei. Obwohl in Niedersachsen 2011 zwei Abiturjahrgänge gleichzeitig von der Schule abgingen, ist die Zahl der Bewerber bei der Polizei eingebrochen - in einzelnen Behörden bis zu 40 Prozent. "Das ist dramatisch, denn wir haben normalerweise über 6000 Bewerber", sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoLG) Thomas Kliewer. "Diese benötigen wir auch, um die hohe Qualität bei unserem Nachwuchs halten zu können."
Für den nächsten Einstellungstermin im Oktober 2012 haben sich nur noch 4500 Schulabgänger beworben. Offensichtlich scheinen andere Berufe und Studiengänge deutlich attraktiver zu sein. Für den 47-jährigen Polizeihauptkommissar aus Hannover ist das ein dramatisches Signal.
Die schlechten Zahlen sind jedoch kein Wunder: Die Perspektiven bei der Polizei verschlechtern sich seit Jahren. Selbst Beamte mit überdurchschnittlicher Bewertung müssen zehn Jahre auf ihre erste Beförderung warten. Außerdem gibt es weder Weihnachts- noch Urlaubsgeld "Auch die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte und die hohe Einsatzbelastung der Kolleginnen und Kollegen halten junge Menschen von einer Bewerbung ab", so der Landesvorsitzende.
Die niedersächsische Polizei ist in der Zwickmühle. Einerseits, so Kliewer, sei bis 2020 mit einer erheblich höheren Zahl an Pensionierungen zu rechnen. Um den Personalbestand zu halten, müsse gleichzeitig in den kommenden Jahren die Zahl der Einstellungen auf bis zu 900 pro Jahr aufgestockt werden; das setzt jährlich 6000 Bewerber voraus. Andererseits verschärft sich die Situation durch die mittelfristig sinkenden Schülerzahlen.
"Ich fordere die Politik dringend auf, die Rahmenbedingungen und Perspektiven bei der Polizei zügig zu verbessern. Sonst verlieren wir den Kampf um die besten Köpfe. Die Politik muss endlich verstehen, dass es nicht mehr sonderlich attraktiv ist, Polizist zu sein", so Gewerkschafter Kliewer weiter. Er verweist auf die zahlreichen zusätzlichen Belastungen wie den Einsatz bei Castor-Transporten oder bei Fußballspielen.
Hart ist das Aufnahmeverfahren für die Polizeiakademie, die nach einem dreijährigen Bachelorstudium in den gehobenen Dienst entlässt. Einem computergestützten Eignungstest folgen unter anderem ein Sporttest, ein Auswahlgespräch sowie der Besuch beim Arzt. "Unter zehn Bewerbern finden wir einen, der zu uns passt", erklärt Kliewer. Wer es dann geschafft hat, warte zehn Jahre auf die Beförderung zum Hauptkommissar, "eine lange Zeit für junge Beamte, die überdurchschnittlich bewertet sind".
Deshalb wandern Polizisten in andere Bundesländer ab, wo bessere Verhältnisse herrschen und zumindest Weihnachtsgeld gezahlt wird. "Mit dem Wegfall von Urlaubs- und Weihnachtsgeld stellt sich unbedingt die Frage nach der Wertschätzung unserer Arbeit. Deshalb verlangen wir die erneute Einführung des Weihnachtsgeldes", so Kliewer.