Scholz über Bürgerproteste gegen Wohnungsbau, “hasenfüßige Volksinitiativen“, den Sparkurs seiner Regierung und Fehler in der Amtszeit.
Auf dieses vorweihnachtliche Problem hätte der Bürgermeister wohl gern verzichtet. Der SPD-Senat von Olaf Scholz hat am Ende des ersten Regierungsjahres mit Jenfeld einen Stadtteil gegen sich aufgebracht. Dort, in einem leer stehenden Haus im Osten der Stadt, will die Landesregierung zwei entlassene Schwerverbrecher unterbringen, die von der Sicherungsverwahrung verschont werden. Das Vorhaben hat sich längst zum Politikum entwickelt, weil jeder potenzielle Wohnort sofort Protest hervorruft.
Das erinnert an die vielen Wohnungsbauvorhaben in der Stadt, die der Scholz-Senat forciert und die im Grundsatz von einer großen Mehrheit der Hamburger begrüßt werden - vor Ort gibt es dennoch regelmäßig Auseinandersetzungen mit den Bürgern.
Vor gut neun Monaten wurde Olaf Scholz in der Bürgerschaft zum Ersten Bürgermeister gewählt. Seiner Ansicht nach ist "im Großen und Ganzen nicht viel schiefgelaufen" seit jenem 7. März. Viele politische Weichen seien gestellt, die "Energiewende" verkündet, und der Haushalt sei auch unter Dach und Fach.
Im Bürgermeisteramtszimmer des Rathauses nahm sich Scholz ausführlich Zeit, um im Gespräch mit dem Abendblatt auf das erste Jahr seiner Regierung zurückzublicken.
Hamburger Abendblatt: Der Senat will zwei Sicherungsverwahrte in Jenfeld unterbringen. Kaum verkündet, winken die beiden Männer ab. Zwingen kann man sie nicht. Ist das gutes Regieren, wie Sie es zu Ihrem Programm erhoben haben?
Olaf Scholz: Wir haben ein Angebot vorbereitet, das den Anforderungen und Bedürfnissen derjenigen entspricht, die aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte freikommen. Auch die berechtigten Sicherheitsinteressen der Anwohner sind berücksichtigt. Andere Orte für die Unterbringung dieser Männer gibt es derzeit nicht.
Es gibt in ganz Hamburg keinen anderen Ort zur Unterbringung?
Scholz: Nein. Wir haben nicht nur nach einer Wohnung gesucht, sondern ein Sicherheits- und Betreuungskonzept entwickelt. Das erwartet man zu Recht von uns. An keinem anderen Ort kann unser Konzept im Moment praktiziert werden.
+++ Scholz bleibt hart: Schwerverbrecher sollen nach Jenfeld +++
Auf Unbeteiligte wirkt das Vorgehen des Senats trotzdem eher wie Chaos.
Scholz: Es gibt nur ein Angebot, das wir machen können. Wir haben in der ganzen Stadt gesucht und eines für ein Jahr gefunden. Es gibt kein anderes.
Raten Sie Ihren Senatoren jetzt Durchziehen um jeden Preis?
Scholz: Das ist eine falsche Formulierung für ein sehr ernstes Problem. Ich habe die Gerichtsentscheidung, die Männer freizulassen, nicht für richtig gehalten. Trotzdem müssen wir sie jetzt umsetzen.
Was passiert, wenn die Sicherungsverwahrten bei ihrem Nein bleiben?
Scholz: Jedem steht es frei, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Wir werden Sicherungsmaßnahmen der Polizei auch dort veranlassen. Doch das wäre die schlechtere Lösung.
Haben Sie Verständnis für die Bürger, die sich gegen die Unterbringung wehren?
Scholz: Ja. Darum hat sich der Senat entschlossen, Anwohner und Medien früh und offen zu informieren. Es ist sehr schwer, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Und es gibt wohl keinen Ort, an dem sich Anwohner für eine Unterbringung von ehemaligen Sicherungsverwahrten in ihrer Nachbarschaft aussprechen.
Das St.-Florians-Prinzip scheint weit verbreitet zu sein: Auch beim Wohnungsbau wird schnell ein Bürgerbegehren gestartet, die Stadtbahn hat für Protest gesorgt, ehe sie aufs Gleis gesetzt war. Ist die Stadt nicht mehr solidarisch?
Scholz: Die Stadt ist solidarisch. Das sieht man auch daran, dass sie der solidarischsten Partei mit großer Mehrheit den Regierungsauftrag gegeben hat. Das spricht dafür, dass Solidarität ein Grundzug der hamburgischen Mentalität ist. Im Übrigen bin ich nicht so pessimistisch wie Sie. Wir haben uns vorgenommen, eines der drängendsten Probleme der Stadt zu lösen: den Wohnraummangel. Ich bin sicher, dass wir den Bau von 6000 Wohnungen jährlich durchsetzen werden - trotz des an der einen oder anderen Stelle aufkommenden Bürgerprotestes.
Trotzdem: Beeinträchtigt die direkte Demokratie das Gemeinwohl?
Scholz: Ich glaube, dass sich in der Stadt die Stimmung gedreht hat. Für den Wohnungsbau heißt das: Alle wissen, dass er notwendig ist.
Aber das ist doch gerade das Problem: Eine Mehrheit ist für den Wohnungsbau, aber eine Minderheit kann ein konkretes Projekt vor Ort verhindern.
Scholz: Aber es muss ja nicht gelingen. Bei meinen Veranstaltungen in den Stadtteilen, zu denen immer 300 bis 400 Bürgerinnen und Bürger kommen, ist es so: Wenn dort Initiativen auftreten, die gegen ein konkretes Projekt sind, gibt es immer erst ein mindestens fünfminütiges Vorwort, dass man eigentlich einsieht, dass Wohnungsbau notwendig ist. Das ist ja schon mal ein erster richtiger Schritt.
Gefährdet die direkte Demokratie die Regierungsfähigkeit?
Scholz: Nein.
Sind Sie für die Einführung von Quoren bei Bürgerentscheiden?
Scholz: Die SPD findet Quoren bei den Bürgerentscheiden richtig. Die Bürgerschaftsfraktionen haben unter Einschluss der Bürgerinitiative Mehr Demokratie eine Verständigung herbeigeführt, die Quoren aber nicht vorsieht. Der Respekt vor dem Parlament gebietet es, das zu akzeptieren. Ich bin sicher, dass wir unser Wohnungsbauprogramm auch unter den Bedingungen der direkten Demokratie durchsetzen können. Der Senat darf nur nicht ängstlich werden. Wird er auch nicht.
Ihr erstes Regierungsjahr geht zu Ende. Zeit für eine erste Bilanz: Was war Ihr größter Fehler als Bürgermeister?
Scholz: Dass man ununterbrochen alles richtig macht, ist nicht wahrscheinlich. Aber große Fehler sind uns nicht passiert. Toi, toi, toi.
Und kleine Fehler?
Scholz: Fallen mir gerade nicht ein. (Lacht.) Gibt es aber.
Versuchen wir es andersherum: Was war der größte Erfolg?
Scholz: Das Wichtigste ist, dass wir den Zusammenhalt der Stadt gestärkt haben. Beim Wohnungsbau sind wir viel weiter, als uns jeder zugetraut hat. Neben unseren Entscheidungen im Bildungsbereich - Rücknahme der Kita-Gebührenerhöhung und schrittweise Gebührenfreiheit, kleine Grundschulklassen, Abschaffung der Studiengebühren - haben wir mit der EU die Grundlagen für die Zukunft der HSH Nordbank geschaffen. Und die EU-Kommission hat nach unseren intensiven Bemühungen gerade grünes Licht für die Elbvertiefung gegeben.
Was war Ihr persönlich größter Erfolg?
Scholz: Ich überlasse diese Bewertung denen, die später darüber schreiben.
Was hat Sie am meisten überrascht nach der Amtsübernahme?
Scholz: Das Fehlen von Plänen für die Zukunft Hamburgs, die in irgendeiner Schublade hätten entdeckt werden können. Es geht darum, die Attraktivität der Stadt auf lange Sicht zu erhalten. Deswegen habe ich eine Debatte über die Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses Hamburgs als große Stadt begonnen. Erstmals seit Jahrzehnten werden wir die Grenze von 1,8 Millionen Einwohnern wohl überschreiten. Dass sich Siemens für Hamburg als Sitz seines Welthauptquartiers für Windenergie entschieden hat, zeigt das Vertrauen in die Stadt und ihr Umfeld.
Die größte Enttäuschung?
Scholz: Ich habe bisher keine große Enttäuschung erlebt. Die Zusammenarbeit mit den Senatorinnen und Senatoren und den engagierten Männern und Frauen in der Verwaltung empfinde ich als produktiv und angenehm.
In Ihrer ersten Regierungserklärung haben Sie gesagt, dass eine gute Demokratie auch eine gute Opposition braucht. Wie fällt Ihr Urteil jetzt aus?
Scholz: Ich finde es nicht angemessen, wenn der Regierungschef seine Kritiker bewertet.
Das ist doch normales demokratisches Geschäft.
Scholz: Nein.
Welchen Ihrer politischen Gegner nehmen Sie ernst?
Scholz: Jeden.
Wen nehmen Sie besonders ernst? Es gibt doch immer Unterschiede in der persönlichen Einschätzung und Wertschätzung.
Scholz: Zum Ernstnehmen gehört auch der Respekt vor der Unterschiedlichkeit der vielen.
Warum gehen Sie das Risiko ein, den Volksentscheid zum Netzrückkauf zu verlieren?
Scholz: Ich bin ein Anhänger von Volksentscheiden. Dass ich einen Regierungsauftrag habe, ändert nichts daran, dass die Bürger die Möglichkeit haben, über Dinge selbst zu entscheiden, wenn sie das wollen. 100 Prozent der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze kosten mindestens 2,2 Milliarden Euro. Das ist eine unlösbare Herausforderung für den Hamburger Haushalt. Und es ist auch unnötig. Denn alles, was notwendig ist, um den Klimawandel aufzuhalten, die Energiewende, die CO2-Reduzierung, die Investition in modernste Speichertechnologie, bringen wir auch mit dem Rückkauf von 25,1 Prozent der Netze zustande. Viele Bürger sind auch froh, dass die von ihnen mit großem Argwohn betrachtete Fernwärmetrasse von Moorburg unter der Elbe hindurch nach Altona nicht gebaut werden muss.
Der Vorgängersenat hatte die Frist für eine Verfassungsprüfung verstreichen lassen, obwohl der Netzrückkauf den Haushalt betreffen würde und der Volksentscheid daher wohl nicht zulässig wäre. Wäre es aus Ihrer Sicht besser gewesen, diese Prüfung durchzuführen?
Scholz: Es hat vor dem Regierungswechsel lediglich eine juristische Prüfung in der Verwaltung gegeben, und demnach würde der Volksentscheid wohl die Grenzen des Rechts überschreiten. Aber das ist vergangen und soll die freie Entscheidung der Bürger nicht behindern. Ich möchte nicht, dass der vollständige Rückkauf aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt wird, sondern der Sache wegen. Ich glaube, dass die Bürger genauso wie ich ein mulmiges Gefühl im Magen haben, wenn wir mal eben zwei Milliarden Euro aufnehmen müssten, während wir jeden Tag in der Zeitung lesen, dass ganze Staaten am Kreditmarkt kein Geld mehr bekommen. Der komplette Rückkauf der Netze ist unbezahlbar. Trotzdem: Wir werden uns immer an das Ergebnis eines Volksentscheids halten.
Halten Sie den von der Initiative angedachten Termin für den Volksentscheid, die Bundestagswahl 2013, für gut?
Scholz: Ich glaube, dass die Initiative sehr hasenfüßig ist. Wenn sie es denn an diesem Termin macht, wäre das ein Hinweis darauf, dass sie selbst nicht glaubt, dass sie eine Mehrheit bekommt.
Was wäre der richtige Termin?
Scholz: So schnell wie möglich. Aber am besten wäre es, wenn sich die Initiative überzeugen ließe, dass Energiewende und CO2-Reduzierung auch ohne Netzrückkauf zustande kommen.
Haben Sie sich schon mit den Initiatoren getroffen?
Scholz: Nein. Die Initiative hat mir mitgeteilt, dass sie erst am 14. Dezember morgens Zeit hat. Das halte ich nicht für einen Zufall, sondern für Politik. Aber da lassen wir fünfe gerade sein.
Der 14. ist der Tag, an dem Sie in der Bürgerschaft eine Regierungserklärung abgeben. Warum machen Sie das?
Scholz: Es findet eine wichtige Weichenstellung für Hamburg statt. Es geht darum, wie wir eine bezahlbare, ökologisch bessere und klimafreundlichere Energieversorgung in Hamburg zustande bringen. Auch die 543 Millionen Euro, die wir für 25,1 Prozent der Netze ausgeben, sind keine Kleinigkeit. Die Art und Weise, wie einige mit Millionen- und Milliardenbeträgen umgehen, erschreckt mich.
Unterschätzen Sie die emotionale Kraft des Slogans "Unser Hamburg - unser Netz"? Die Initiative gegen den Verkauf der Krankenhäuser hatte mit dem ebenfalls sehr emotionalen Slogan "Gesundheit ist keine Ware" Erfolg.
Scholz: Dass die Skepsis gegen den Verkauf der Krankenhäuser berechtigt war, sieht man ja darin, dass wir die Folgeentscheidungen bis heute nicht bewältigt haben, was zum Beispiel das Rückkehrrecht des Personals zur Stadt angeht. Im Fall der Netze denke ich, dass wir die besseren Argumente haben. Jeder weiß: Wer sagt, "das ist jetzt meins", muss vorher eine Rechnung bezahlt haben - und diese Rechnung bezahlen wir alle. Das ist beim Autokauf nicht anders als beim Netzkauf.
Das Jahr der Umwelthauptstadt geht zu Ende. Was hat der Titel Hamburg gebracht?
Scholz: Sehr viel. Das Jahr endet mit einem umweltpolitischen Paukenschlag - mehr Fortschritt als das, was wir jetzt mit der Energiewende für Hamburg durchsetzen, hat es in den vergangenen Jahren nicht gegeben. Weitere Erfolge sind zum Beispiel die Etablierung Hamburgs als Hauptstadt der Windenergie, zusätzliche Naturschutzgebiete und mehr Grün in Hamburg - etwa durch die Aktion "Mein Baum - Meine Stadt".
Wir meinten den Nutzen des Titels Umwelthauptstadt. Was hat der gebracht?
Scholz: Ich will anerkennend gegenüber der vorherigen Regierung sagen, dass der von der SPD als Opposition mit großer Skepsis betrachtete Zug der Ideen ein Marketingerfolg für Hamburg in Europa ist. Das wollen wir gern weiter nutzen, das sollte ein Ansporn sein. Hamburg muss eine Stadt sein, die nicht nur groß ist im Energieverbrauch, sondern auch der Ort, an dem wir die Probleme des Energie- und Ressourcenverbrauchs erfolgreich angehen.
Hat die Umwelthauptstadt die Hamburger emotional erreicht?
Scholz: Ich bin ein Anhänger des eher ingenieurgetriebenen Umweltschutzes. Mein Ziel ist es, real etwas in der Welt zu ändern - ob es die Dämmung von Gebäuden ist oder die Reduzierung von Ressourcenverbrauch und CO2-Belastung. Da müssen wir Fortschritte erreichen. Und mit den Entscheidungen zur Verkehrspolitik dieses Jahres kommen wir weiter, also Ausbau der U 4, ein eigenes Gleis für die S 4, Ausbau des Bussystems zu einem der modernsten in Deutschland mit der ehrgeizigen Entscheidung, dass wir ab 2020 nur noch emissionsfreie Busse anschaffen wollen. Das muss man jetzt einleiten.
Man könnte es auch umgekehrt aufzäumen: Sie wollen keine Umweltzone, keine Citymaut, und die Stadtbahnpläne haben Sie auch gestoppt. Scheut dieser Senat den Konflikt mit dem Individualverkehr?
Scholz: Nein. Er hat sich gelöst von ideologisch motivierten Plänen, die nicht funktionieren und keine Verbesserung für das Klima bringen. Von der Umweltzone etwa sagen viele Experten, dass sie kaum einen Effekt hat, aber etwas Besseres falle einem halt nicht ein. Der Zynismus solcher Überlegungen hat mir noch nie gefallen. Symbolik muss ersetzt werden durch Maßnahmen.
Aber die Stadtbahn ist schon umweltschonender als das Bussystem.
Scholz: Wenn der Bus keine Emissionen in die Luft pustet, ist die Wette offen. Im Übrigen ist die Skepsis der Bürger berechtigt, wenn man für einige wenige sinnvolle Stadtbahn-Streckenabschnitte ein ganzes Netz mit 42 Kilometern Länge für mehr als zwei Milliarden Euro bauen muss. Das können wir nicht, und das wäre nicht effizient. Dann könnten wir die U 4 in die HafenCity nicht weiter Richtung Elbbrücken bauen und die S 4 zur Entlastung des Hauptbahnhofs nicht. Wir könnten die Busse weder beschleunigen, noch könnten wir auf emissionsfreie Busse umstellen. Und den behindertengerechten Umbau der U-Bahn-Stationen können wir auch nicht finanzieren. Die Stadtbahn war eine Obsession. Eine charmante zwar, aber sie wäre die weniger wirksame und teurere Lösung gewesen.
Stichwort HafenCity: Viele sprechen von einer langweiligen Architektur. Jüngstes Beispiel ist der Turm für die ECE am Magdeburger Hafen. Wie bewerten Sie das Areal?
Scholz: Es ist nicht so, dass ich jedes einzelne Haus besonders schön finde. Aber das Ensemble ist gut gelungen und steigert die Attraktivität Hamburgs, das wird auch weltweit gelobt. Wir machen jetzt ja mit dem Teil weiter, in dem im großen Stil Wohnungen entstehen. Da wollen wir auch Wohnraum für Bezieher normaler Einkommen schaffen - das wird die HafenCity weiter beleben und attraktiver machen.
Markantestes Bauwerk dort ist die Elbphilharmonie, um die es permanent Streit gibt. Warum fährt der Senat so einen Konfrontationskurs gegenüber dem Baukonzern Hochtief?
Scholz: Wir nehmen die Interessen der Stadt wahr. Dazu gehört, dass wir eng mit Hochtief kooperieren. Dazu gehört aber auch, dass wir dort, wo es Konflikt gibt, konfliktbereit sind. Mit dieser Kombination aus Kooperation und Konfliktbereitschaft versuchen wir zu vermeiden, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Letztlich geht es um sehr, sehr viele Millionen aus dem Hamburger Haushalt. Da kann man nicht mal eben einer Geste wegen schnell einig werden.
Stichwort Haushalt: Noch hat es keine harten Einschnitte im Haushalt gegeben. Experten rechnen damit, dass das 2013/14 anders wird. Müssen sich die Hamburger auf harte Zeiten einstellen?
Scholz: Ich möchte beim Wort genommen werden. Jeder sollte sich darauf einstellen, dass wir die Begrenzung des Ausgabenzuwachses auf ein Prozent jährlich mit aller Konsequenz einhalten werden. Wir können uns nicht mehr alles leisten, was wir uns bisher geleistet haben. Es wird um die Frage gehen: Bezahlen wir das eine, oder bezahlen wir das andere?
Können Sie schon sagen, was man nicht mehr bezahlt?
Scholz: Unser Kurs wird sich in vielen Einzelentscheidungen in jeder Behörde niederschlagen.
Einer Umfrage zufolge würde die Piratenpartei auch in Hamburg derzeit auf neun Prozent der Stimmen kommen. Macht Ihnen das Sorgen?
Scholz: Solche Parteibildungsprozesse sind oft zugleich Politisierungsprozesse bei Bürgern, die sich bislang vielleicht nicht so detailliert mit Politik beschäftigt haben. Mit Themen wie dem Hamburger Haushalt oder der Frage, was eine Stadt sich leisten kann und was nicht. Allein das ist es wert. Trotzdem empfehle ich allen, die eine gute Regierung für Hamburg wollen, sich lieber bei der SPD umzuschauen.
Ihre Frau arbeitet seit einigen Wochen in Berlin, für die SPD-Bundestagsfraktion. Wie häufig sehen Sie sich noch?
Scholz: Wir sehen uns sehr oft. Am Wochenende zum Beispiel. Aber ich habe als Hamburger Regierungschef auch oft in Berlin zu tun, und meine Frau ist regelmäßig in Hamburg. Und wir geben uns sehr viel Mühe.
Die familiäre Trennung hält Sie also nicht ab, 2015 noch einmal anzutreten?
Scholz: Ich habe immer gesagt, dass ich 2015 erneut als Erster Bürgermeister kandidieren werde. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Und im Falle eines Wahlerfolgs würden Sie auch die volle Amtsperiode erfüllen?
Scholz: Ich weiß nicht, wie viele Amtsperioden ich erfüllen will, ich bin nicht größenwahnsinnig. Ich möchte meine Arbeit gut machen und beim nächsten Mal wiedergewählt werden.