GAL-Fraktionschef Kerstan attackiert Senat wegen der Einigung mit dem Energiekonzern. Konkurrent will Stadt verklagen
Hamburg. Kaum ist die Einigung zwischen Senat und Vattenfall über eine 25,1 prozentige Beteiligung an Hamburgs Versorgungsnetzen öffentlich bekannt geworden, kündigt der erste Konkurrent von Vattenfall eine Klage an. Und zwar nicht irgendwer, sondern der Weltmarktführer im Bereich Fernwärme: Dalkia.
"Wir haben unser Interesse am Netz bekundet, haben unsere Kompetenzen vorgelegt und hatten ein faires, transparentes Verfahren erwartet", sagte Dalkia-Geschäftsführer Andreas Baude im Gespräch mit dem Abendblatt. Wenn dies jetzt nicht gegeben sei, werde das Unternehmen seine rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, kündigte Baude an. "Das würde Vattenfall genauso machen", so Baude.
Das Unternehmen ist bereits seit zwei Jahren Partner der Stadt und an Hamburg Energie Wärme beteiligt. Außerdem wird Dalkia die Wärmeversorgung der HafenCity übernehmen. Dalkia hatte sich in einem europaweiten Ausschreibungsverfahren durchgesetzt - auch gegen Vattenfall.
In einem Treffen in dieser Woche mit Staatsrat Christoph Krupp (SPD) - der neben Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) Hauptverhandler mit Vattenfall ist - hatte Baude sein Interesse an der Netzbeteiligung noch einmal betont. Baudes Frage, wie die Stadt die günstigsten Preise und das beste Angebot für die Kunden sicherstellen wolle, wenn die Netze direkt an Vattenfall vergeben würden, sei ihm nicht beantwortet worden.
Tatsächlich räumen Rechtsexperten einer solchen Klage durchaus "gute Erfolgschancen" ein. "Sobald die Stadt mit dem bestehenden Konzessionsinhaber, in diesem Fall also Vattenfall, eine Verlängerung des Vertrags beabsichtigt, ist das öffentlich bekannt zu machen, und es sind Verfahrensregeln einzuhalten", sagte Dirk Legler, Fachanwalt für Energierecht dem Abendblatt. Er bezeichnete es als "lebensfern, anzunehmen, dass die Stadt derzeit mit Vattenfall verhandelt, ohne die Verlängerung zum Thema zu machen".
Wie das Abendblatt berichtete, haben sich Senat und Vattenfall über die Bedingungen für eine 25,1 prozentige Beteiligung an den Versorgungsnetzen geeinigt. Unter anderem wird Vattenfall auf den Bau der Fernwärmetrasse zwischen dem Kohlekraftwerk Moorburg und Altona verzichten. Dafür verzichtet die Stadt ihrerseits auf das Recht, die Fernwärmenetze und Erzeugungsanlagen zurückzukaufen, und gibt damit dem Bereich der Fernwärme komplett und für immer in die Hände von Vattenfall. Gemeinsam wollen Vattenfall und Stadt dann ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) bauen.
"Mit dieser Einigung macht der Bürgermeister noch vor der Adventszeit Vattenfall ein lukratives Weihnachtsgeschenk", sagte Jens Kerstan, Vorsitzender der GAL-Bürgerschaftsfraktion. Er könne kaum glauben, dass ein sozialdemokratischer Bürgermeister wirklich bereit dazu sei, die Fernwärmekunden einem privaten Konzern "zur Ausbeutung auszuliefern", so Kerstan weiter. Und das auch noch "für immer und ewig".
Den Bau des Gaskraftwerks und den Verzicht auf die Fernwärmetrasse hält er zwar für gut. "Aber der Preis dafür ist eindeutig zu hoch", so Kerstan. Dieses "fatale Zugeständnis" an Vattenfall sei zudem auch noch völlig unnötig. Vattenfall sei an der Fernwärmetrasse "sowieso nicht mehr interessiert, da dem Konzern die Baukosten davongelaufen" seien. In Hamburg werde man in Zukunft zu spüren bekommen, was es heißt, "ausgerechnet ein unreguliertes Monopol dauerhaft einem profitorientierten Privatkonzern zu überlassen. Das ist gerade aus Verbrauchersicht katastrophal", sagte Kerstan.
Die Volksinitiative Unser Hamburg - unser Netz, die sich für den vollständigen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt einsetzt, forderte den Senat auf, die Details zu den Verträgen umgehend öffentlich zu machen. Mit dem "Einkaufen" in die bestehenden Netzgesellschaften treffe der Senat weitreichende Entscheidungen für die künftige Energieversorgung der Stadt und lasse möglicherweise den Volksentscheid ins Leere laufen, sagte Manfred Braasch für die Initiative.
Als falschen Weg sieht die Volksinitiative den offenbar geplanten generellen Verzicht der Stadt auf eine Rücknahmeoption des Fernwärmenetzes. "Die Folge wäre ein Fernwärmemonopol für Vattenfall auf Dauer. In Richtung Bürgerschaft appelliert die Volksinitiative, nun das Konzept des Senats auf Herz und Nieren zu prüfen. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion hält den gesamten Netzrückkauf "für unsinnig". "Was uns am Herzen liegt, ist die Sicherung der Energieversorgung der Bürger und der Wirtschaft", sagte die umweltpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Birgit Stöver. Wenn dies durch den Vertrag zwischen Stadt und Vattenfall gesichert sei, sei das positiv.
Die Fraktion Die Linke nennt die Einigung zwischen Stadt und Unternehmen "ungeheuerlich". Es sei nicht nur "schlechter politischer Stil, es ist eine Missachtung des Parlaments, dass vor einer Senatsbefragung in den zuständigen Ausschüssen zur Anhörung von Unser Hamburg - Unser Netz jetzt Fakten geschaffen werden", sagte die Fraktionschefin Dora Heyenn.
Thomas-Sönke Kluth (FDP) bezeichnet die Einigung als einen "Kuhhandel zulasten der Hamburger Energieverbraucher". Die Stadt investiere hohe Summen für die Beteiligung, während das "hoch effiziente, in Moorburg entstehende Kraftwerk dann zukünftig Energieüberkapazitäten produzieren wird. Am Ende wird der Fernwärmekunde bezahlen müssen", so Kluth.