Schwanenvater Olaf Nieß und sein Team brachten 30 Tiere mit Booten zum Eppendorfer Mühlenteich - ihr Zuhause für die kommenden Monate.

Hamburg. Um Schlag 11 Uhr ging es los. Auf der Alster nahe dem Hamburger Rathaus heulten die Außenbordmotoren von acht blauen Booten auf. Sie formierten sich, von einem der Boote brüllte Olaf Nieß Kommandos über den Motorenlärm. Die Bootsformation scheuchte eine Schar von rund 30 Schwänen vor sich her, trieb sie in einer Schleuse in die Enge. Auf einer Brücke drängten sich Schaulustige.

So begann das alte Ritual des Hamburger Schwanenwesens, einer Abteilung des Hamburger Umweltdezernats: Der Umzug der Schwäne in ihr Winterquartier. Schwanenvater Nieß und seine neun Helfer griffen sich ein Tier nach dem anderen aus der Menge. Mit Klettband banden die Tierpfleger routiniert Füße und Flügel des Federviehs zusammen und setzten es in die Kähne, die mit Stroh ausgekleidet waren. Anfangs versuchten die Schwäne zu fliehen und zappeln heftig. Erstmal im Boot, wie Pakete verschnürt, wurden sie ruhig. Das Fauchen und Schnattern, das zuvor durch die Schleuse hallte, ebbte allmählich ab.

Ihre Schwäne sind den Hamburgern heilig. Das Schwanenwesen existiert bereits seit dem 11. Jahrhundert. Seit 1674 gibt es auch die europaweit einzigartige Planstelle des ordentlich bestallten Schwanenvaters. „Eigentlich war das Halten der Tiere nur Fürsten und Königen vorbehalten“, erklärt Nieß. Damit brachen die Hamburger Stadtväter. Als Freie und Hansestadt hielt die Stadt sich demonstrativ Schwäne.

Seither geht die Legende, dass Hamburg diesen Status nur solange hält, wie es Schwäne auf der Alster gibt. Entsprechend werden die rund 120 Tiere von der Stadt umsorgt. In ihrem Winterquartier auf dem Eppendorfer Mühlenteich laufen ständig Pumpen, die Eisbildung verhindern. Auch um ihre Nahrung brauchen sich die Schwäne in Eppendorf nicht zu sorgen. Von November bis April gibt es für die Tiere Kost und Logis frei.

„Wir müssen die Tiere einquartieren. Andernfalls frören sie fest oder liefen auf der Suche nach Essbarem in den Straßenverkehr“, sagt Nieß. Der 44-jährige ist seit 25 Jahren im Dienst. Zuvor machte sein Vater diesen Job mehr als 40 Jahre lang. „Ich musste mich trotzdem ganz normal auf das Amt bewerben“, sagt der gelernte Reviertierpfleger und lacht.

Alle Schwäne hat Nieß am Dienstag nicht eingefangen. Doch er ist optimistisch, sie in den Nebenkanälen der Alster zu finden. „Dorthin haben sie sich wegen des starken Windes verzogen“, sagt er. In den kommenden Tagen wird Nieß in den Verzweigungen der Alster nach den restlichen Tieren suchen. „Mir ist noch kein Schwan entkommen“, ruft Nieß, während er einen Kahn mit etwa einem Dutzend Tiere aus der Schleuse bugsiert.