400 geladene Gäste kamen am Freitagabend zu der ersten großen Zusammenkunft der städtischen Hamburg Kreativ Gesellschaft.

Hamburg. Der Forderung des Geschäftsführers der Hamburg Kreativ Gesellschaft, Egbert Rühl, "Reden Sie miteinander“ kommen die Gäste bei der ersten großen Zusammenkunft der Macher und Nutznießer dieser seit etwas mehr als einem Jahr bestehenden Dienstleistungsgesellschaft der Stadt Hamburg gern nach. In der alten Lagerhalle im Oberhafenquartierquartier tummeln sich 400 geladene Gäste aus allen möglichen Bereichen des Sektors und Netzwerken, was Telefonbuch und Smartphone hergeben. Beim Grußwort des Ersten Bürgermeisters ist es noch still, die diversen Akteure, Katalysatoren lauschen den Versicherungen Olaf Scholz', die Politik sei "auf Kreative angewiesen“, sie seien "ein wesentlicher Motor der Innovationskraft“. Die Kreativgesellschaft sieht Scholz als kluge Ergänzung zu bestehenden Netzwerken, er wünscht sich auch durchaus "ein bisschen Irritation“ von ihr. Seine kurze Ansprache schließt er mit einer der Formeln, die so zweischneidig wie unverbindlich sind: "Wir können voneinander lernen.“

Lernen kann man auch eine Menge von Wolf Lotter. Der Co-Gründer des Magazins "Brand Eins“ beschwört wortgewaltig einen gesamtgesellschaftlichen Paradigmenwechsel weg von der Industriegesellschaft. Der Wissens-, der kreativen Gesellschaft gehöre die Zukunft. Und ganz nebenbei lässt er den Begriff fallen, der zum Lieblingswort des Abends werden soll. Er spricht von den Kreativen als "Gestörten“. Er illustriert, was er damit meint, anhand einer Studie, die bewiesen haben soll, dass kreative Menschen über eine "geringere Latenzhemmung“ verfügen würden, sich schneller ablenken ließen, aber auch mehr wahrnehmen würden. Ihnen gegenüber stellt Lotter die "Gehemmten“, die zielgerichtet, aber mit Scheuklappen Arbeitenden.

Diesen Gegensatz überträgt er von der Theorie in die Welt, indem er die klassische Güterwirtschaft als Bastion der "Gehemmten“ skizziert. Heute würde aber bereits mehr Geld mit Wissen als mit Gütern verdient, führt Lotter weiter aus und folgert, dass die Industrie ein "überholtes Konzept“ sei. Um aber die notwendigen Veränderungen der vom überkommenen System übrig gebliebenen Rahmenbedingungen überwinden zu können, müssten "die Gestörten“ eines begreifen: "Wir sind zu bescheiden!“ Verbunden mit einem rhetorischen Seitenhieb in Richtung Berlin und der Bitte an Olaf Scholz, Hamburg auch offiziell zu dem zu machen, was es de facto bereits sei - "die deutsche Kreativhauptstadt“ -, ist ihm der Applaus sicher.

Danach macht sich die "geringe Latenzhemmung“ von der Lotter noch kurz zuvor sprach, deutlich bemerkbar. Während der Kurz-Gesprächsrunden, die den offiziellen Teil beenden, brummt es in der Halle wie im Bienenkorb. Was Medienunternehmer Frank Otto und die Leiterin des Trendbüros, Birgit Gebhardt, über Ideen und die Rolle der Politik im Umgang mit den Kreativen zu sagen haben, bekommt kaum noch jemand mit. Nur Ottos Schlachtruf "Hamburgs beste Zeit liegt vor uns“ scheint noch anzukommen. Jedenfalls wird geklatscht. Die Ausführungen von Werber Matthias Berg, Schauspielerin Pheline Roggan, von Galerist Rik Reinking, Werber Steffen Stäuber und der Vertreterin der Hamburger Spielebranche, Janina Griffel, hören hingegen nicht einmal mehr die, die direkt vor der Bühne stehen. Aber schließlich sind die Menschen, die sich das Etikett "gestört“ mit Stolz anheften ja hier, um miteinander zu reden.