Das Konzept der Justizsenatorin löst das Grundproblem in Hamburgs Strafvollzug nicht.

Der Hamburger Strafvollzug ist seit mehreren Jahren ein justizpolitischer Skandal. Nicht weil hin und wieder ein Häftling türmt, das kommt glücklicherweise eher selten vor. Skandalös ist, dass Hamburg einen Berg von Überkapazitäten bei den Haftplätzen vor sich herschiebt. In Spitzenzeiten stand jede dritte Zelle leer, derzeit ist es jede vierte. Bei Betriebskosten von mehr als 50 000 Euro pro Platz und Jahr ist das angesichts der immensen öffentlichen Verschuldung ein nicht hinnehmbarer Zustand.

Entscheidend für die gravierende Fehlentwicklung ist der überdimensionierte Neubau der Justizvollzugsanstalt Billwerder. Der frühere Justizsenator Roger Kusch hatte zu Zeiten der Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP die 2006 in Betrieb genommene Anstalt mit 800 Plätzen des geschlossenen Vollzugs durchgesetzt. Schon damals war absehbar, dass die Zahl der Gefangenen unter anderem wegen der demografischen Entwicklung eher ab- als zunehmen würde.

Die lange überfällige Neustrukturierung des Strafvollzugs, die Hamburgs neue Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) jetzt vorgelegt hat, nimmt sich angesichts der Dimension des Problems doch recht vorsichtig aus. Unter dem Strich werden nur 50 Haftplätze abgebaut. Es bleibt bei einem absehbaren Überhang von mehreren Hundert Plätzen.

Zwei Pluspunkte kann das Konzept dennoch vorweisen. Erstens: Das nicht mehr benötigte und seit 2009 stillgelegte Haus 1 in Fuhlsbüttel soll endgültig aufgegeben werden. Es war eine justizpolitisch unausgegorene Idee des schwarz-grünen Vorgängersenats, ausgerechnet hier, umgeben von hohen Gefängnismauern der anderen Fuhlsbütteler Gefängnisse, eine Anstalt des offenen Vollzugs als Ersatz für Glasmoor in Norderstedt einrichten zu wollen. Dass Schiedek mit der Aufgabe des Hauses 1 den Weg frei macht für den Wohnungsbau, den sich der ebenfalls SPD-geführte Bezirk Nord dort dringend wünscht, muss als sachfremde Erwägung zumindest erwähnt werden. Eine städtebaulich vernünftige Lösung ergibt sich jedoch erst, wenn die alten, denkmalschutzwürdigen Gefängnisbauten abgerissen werden. Denn wer will schon in einer ehemaligen Haftanstalt wohnen?

Zweitens: Der Schiedek-Plan schont den Landesetat - zumindest auf den ersten Blick. Die Investitionskosten, die nun im Wesentlichen für die Erweiterung des offenen Vollzugs in Glasmoor anfallen, liegen mit bis zu 15 Millionen Euro deutlich unter den schwarz-grünen Planungen, die mindestens doppelt so hohe Investitionen vorsahen. Allerdings sind an der Schiedek-Rechnung schon jetzt Zweifel angebracht: Schließlich muss die marode Anstalt in Glasmoor saniert werden. Die Kosten hatte die Justizbehörde früher schon einmal mit mehr als 19 Millionen Euro angegeben.

Die kleine Lösung, die die Hamburger Justizsenatorin vorschlägt, geht einen pragmatischen Weg. Der große Wurf wäre der völlige Verzicht auf die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, einschließlich des berühmten Sternbaus "Santa Fu" gewesen. Das hätte einen weiteren Neubau für den geschlossenen Vollzug zur Folge gehabt, weil Billwerder nicht alle Gefangenen aus "Santa Fu" aufnehmen könnte. Und: In die Sozialtherapeutische Anstalt und die Werkstätten in Fuhlsbüttel ist gerade erst kräftig investiert worden. Die Aufgabe wäre also ökonomisch unsinnig.

Das ist die wohl bitterste Konsequenz aus der skandalösen Fehlplanung früherer Jahre: Ein Strafvollzug aus einem Guss ist auf lange Sicht in Hamburg nicht möglich. Die Unterbringung der Gefangenen bleibt in weiten Teilen Flickschusterei. Die Investitionen in das Prestigeprojekt Billwerder haben auf der anderen Seite einen Sanierungsstau etwa in "Santa Fu" und Glasmoor entstehen lassen. Darum muss sich die Justizsenatorin nun als Nächstes kümmern.