Roberto Scarpinato, leitender Staatsanwalt aus Palermo, klärt in einem Vortrag über das falsche Bild der Mafia und die Gefahren auf.
Hamburg. Roberto Scarpinato, leitender Staatsanwalt aus Palermo, macht gerade in besonderer Mission unter anderem in Hamburg Station: In Gesprächen mit Politik, Justiz und Polizei will er die deutschen Richter und Ermittler für das komplexe System Mafia sensibilisieren. Noch immer gibt es aus Sicht des 59-jährigen gebürtigen Sizilianers in Deutschland und Europa ein falsches, folkloristisches Bild der kriminellen Organisation: Mafia: Das sind nicht Schutzgeld erpressende Pizzabäcker, so Scarpinato.
Der Staatsanwalt, der mit den 1992 von der Mafia getöteten Richtern Giovanni Falcone und Paolo Borsellino zusammenarbeitete: „Die richtige Mafia braucht in Deutschland und den Nachbarländern keine Schießerei und agiert nicht mit Gewalt.“
Die richtige Mafia habe sich vielmehr mit großen Kapitalmengen in der Wirtschaft eingenistet, mahnt Scarpinato. Für ihn ist es die „Mafia mit dem weißen Kragen“. Fünf Milliarden Euro Mafiavermögen hat der Staatsanwalt 2008 nach zwei Jahren Ermittlungen in einem Unternehmen für Solarpanele beschlagnahmt. Der börsennotierte Konzern agierte weltweit. Die Vermutung des Staatsanwaltes, die sich auf Recherchen von US-Ermittlungsbehörden stützt: In 20 Jahren wird die Mafia weltweit das meiste Kapital besitzen. Als Kapitalgeber drängt die Mafia schon heute immer häufiger in Unternehmen des legalen Marktes. Oftmals bediene sie sich dabei deutscher Strohmänner, die als Eigentümer fungieren.
Zu den Geschäftsfeldern der Mafia gehören neben dem Drogenhandel zudem die Prostitution sowie die illegale Entsorgung von Giftmüll. Seriöse Unternehmen werden auch bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge unterboten: Die Mafia kann durch die Drogengelder nichtkostendeckende Dumping-Preise aufrufen und bekommt so den Zuschlag.
Im Norden Italiens – in der Lombardei, im Piemont und in Ligurien – infiltriert die Mafia die Regional- und Kommunalparlamente. Dabei sei die Mafia allein ein Problem Süditaliens. Glaubten zumindest die Norditaliener, so Scarpinato, der dort selbst fünf große Verfahren einleitete. Im Kleinen wie im Großen, so Scarpinato, der im Verfahren gegen den ehemaligen Ministerpräsidenten Italiens, Gulio Andreotti, die Anklage vertrat, drängt die Mafia in die Politik.
Das erklärte Ziel des Staatsanwalts für seine italienische Heimat: Die Bindung zwischen der Mafia und der Politik muss endlich aufgehoben werden. Für Deutschland sagt er voraus, dass es nur noch zehn bis 20 Jahre dauern wird, bis auch hier die Politik unterwandert wird.
Um der Mafia wirksam zu begegnen, müssten in Deutschland und dem übrigen Europa „wie in Italien besondere Mittel eingeführt werden“. Die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammenden Strafgesetzbücher seien heute nicht mehr die geeigneten Mittel, um die Mafia zu bekämpfen. „Wir haben die medizinischen Instrumente für eine Blinddarmoperation, müssen aber am Herzen operieren,“ vergleicht der ständig unter Personenschutz stehende Ermittler die Situation. Nach italienischem Vorbild sollten auch andere europäische Staaten über Lauschangriffe, geeignete Mittel gegen Geldwäsche und gegen die Mafiazugehörigkeit nachdenken, appelliert der Mafia-Jäger.
Wer Roberto Scarpinato live erleben möchte: Der Hamburgische Richterverein lädt am Dienstag (Beginn 18.30 Uhr), zu dem Vortrag "Mafia – ein Parasit befällt Europa“ ein . Veranstaltungsort ist die Grundbuchhalle im Ziviljustizgebäude am Sievekingsplatz 1. Der Eintritt kostet fünf Euro.