Rund 1250 St. Paulianer protestierten am Freitag gegen die Absperrung eines Obdachlosen-Schlafplatzes unter einer Brücke bei den Landungsbrücken.

Hamburg. Rund 1250 St. Paulianer haben nach Polizeiangaben am Freitagabend in Hamburg gegen die Absperrung eines Obdachlosen-Schlafplatzes protestiert, der Veranstalter sprach sogar von 2000 Teilnehmern. Nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli zogen die Demonstranten friedlich vom Millerntorstadion die Helgoländer Allee entlang bis zu einer Brücke kurz vor den Landungsbrücken, wie ein Polizeisprecher am Abend sagte. Später seien jedoch einige Flaschen geflogen. Die Ordnungshüter waren mit rund 960 Polizisten im Einsatz.

Im Schutz der Brücke hatten jahrelang Obdachlose übernachtet, bis das Bezirksamt Mitte jüngst für 18 000 Euro einen 20 Meter langen Stahlzaun errichten ließ. Er soll verhindern, dass Wohnungslose dort übernachten. Das Amt hatte seine Maßnahme mit Beschwerden aus der Bevölkerung und von Touristen begründet. Anfang des Jahres war die Brücke für 100 000 Euro restauriert worden. Die Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt hatte das Vorgehen des Bezirksamts als „Vertreibungspolitik“ kritisiert.

Der Stahlzaun unter der Kersten-Miles-Brücke in der Helgoländer Allee in St. Pauli ist fertiggestellt. Von nun an ist es den Obdachlosen unmöglich, ihr Schlaflager unter der Brücke, die sich zwischen Reeperbahn und Landungsbrücken befindet, aufzuschlagen.

Die Obdachlosen weichen nun mit ihrem übersichtlichem Hab und Gut auf den benachbarten Elbpark aus. Was sagen Anwohner und Betroffene dazu?

Daniel Brücker, stellvertretender Hausleiter der angrenzenden Jugendherberge “Auf dem Stintfang”, versteht die Maßnahme nicht. Vor der Errichtung des Zaunes und der Renovierung der Brücke habe es nie Probleme mit den Obdachlosen gegeben. „Im Umfeld gibt es viele Probleme mit Kriminellen und Jugendlichen aus dem Viertel, aber nicht mit den Obdachlosen“, sagt Brücker.

Die Gäste der Jugendherberge hätten sich nie über die Obdachlosen unter der Brücke beschwert. Vor dem Umbau hatten die Obdachlosen einen zentralen, gemeinsamen Ort, so Brücker. Jetzt müssten sie sich überall im Park Plätze suchen.

Obdachlose umgehen den Zaun bereits

Doch nicht alle teilen die Meinung von Daniel Brücker. “Wir haben viele Beschwerden von Anwohnern, von Passanten, aber auch von Touristen erhalten”, erklärt Lars Schmidt-von Koss, Sprecher des Bezirksamts Mitte, die Entscheidung für den Zaun. Das Bezirksamt müsse versuchen, es allen beteiligten Parteien recht zu machen, erläutert er weiter. Die Kriminalität wäre dort sehr groß gewesen – so hätte es unter den Obdachlosen immmer wieder größere Schlägereien gegeben. Auch Vergewaltigung und Mord seien dort schon vorgekommen, erzählt der Bezirksamtssprecher weiter. Deshalb habe auch die Bezirkspolitik die historische Wiederherstellung der Brücke finanziert, die 18.000 Euro für den Zaun stammen aus dem Bezirk selbst.

„Wir wollen nicht leugnen, dass wir auf der Platte streiten“, sagen die zwei Obdachlosen Udo und Matze. „Aber die anderen machen es zu Hause, und wir machen es eben hier.“ Sie fühlen sich von der Stadt ungerecht behandelt.

Udo lebt bereits seit neun Jahren auf der Straße. „Und ich habe jahrelang unter der Brücke gepennt“, erzählt er. Er ist aufgebracht, dass er seinen alten Schlafplatz verloren hat. Momentan sitzt er stattdessen unter einem Baum auf der Parklichtung: „Ich wurde hierher vertrieben.“ Wenn es aber regnet, dann fehlt der Schutz der Brücke, sagt Udo.

„Wir haben die Obdachlosen nicht einfach vertrieben“, sagt der Bezirksamtssprecher Schmidt-von Koss, „wir bieten ihnen Hilfe an“, führt er weiter fort. So habe man etwa im vergangenen Winter die Obdachlosen mit Bussen zum Winterquartier in Jenfeld gefahren. Für den kommenden Winter plant das Bezirksamt Mitte in den nächsten Tagen Info-Schilder für die Obdachlosen an den Stahlzaun anzubringen. Auf diesen Schilder sollen Adressen mit alternativen Übernachtungsmöglichkeiten und die Kontakte der zuständigen Straßensozialarbeiter stehen, sagt Schmidt-von Koss über die weitere Planung. Die Hinweisschilder seien bereits in Bearbeitung.

Von dem Vorhaben der Stadt, Hinweisschilder für Ausweichmöglichkeiten aufzuhängen, hört Udo zum ersten Mal. Udo und Matze würde sich beide wünschen, „dass man uns hier oder auch da drüben in Ruhe lässt.“ Darüber hinaus würde sich der 46-Jährige Udo eine Akku-Flex wünschen, denn „dann ist der Zaun gleich wieder weg“. Sein Platzpartner Matze nennt den Zaun „Tigerkäfig“. „Ich dachte, die sperren uns da alle ein und schließen ab“, sagt der 45-Jährige. „Die wollen einfach nur das Stadtbild von uns säubern“, wirft er der Stadt vor.

Anwohnerin Waltraud Krüger, die im Elbpark ihren Hund ausführt, hat sich bisher auch noch nicht von den Obdachlosen belästigt gefühlt. „Mich stören viel mehr die Touristen, die hier ihren Müll hinschmeißen“, sagt die 79-Jährige. Auch der Tagungstourist Christoph Langemann würde sich von Obdachlosen unter der Brücke nicht gestört fühlen. „Ich glaube, dass man sich als Stadt überlegen sollte, wie man Randgruppen menschengerecht behandelt“, sagt der Österreicher. „Statt Zäune zu bauen, sollte man sich überlegen, wie man das Geld besser investieren könnte, um den Menschen, die keine Chance hatten, zu helfen.