Die Terroristen des 11. September haben ihre Ziele verfehlt, aber die Welt verändert.
Wer heute, zehn Jahre nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington, die Bilder von damals sieht, ist immer wieder erschüttert. Und noch immer ist nahezu unvorstellbar, mit welcher Heimtücke die Massenmorde von ihren Anstiftern geplant waren. Und mit welcher Brutalität die Täter handelten, die vorher mitten unter uns in Hamburg gelebt und studiert hatten.
Wir waren voller Trauer und Zorn - und sind es heute, angesichts der Bilder von damals, wieder. Es waren Anschläge auf unsere Freiheit - und sie haben die Welt erschüttert.
Aber haben die Attentate auch uns verändert, die Welt verändert?
Osama Bin Ladens Leiche ruht auf dem Grund des Indischen Ozeans, als Politiker hat er seine Ziele nicht erreicht. In Afghanistan, dem Land, das zu einem Gottesstaat nach archaischem Muster werden sollte, gehen heute Mädchen zur Schule und junge Frauen zur Universität. Das ist das Gegenteil jenes Gottesstaates, den die Taliban vor ihrem Sturz durch die westliche Allianz bereits teilweise errichtet hatten.
Verlierer ist auch der Islam, den Osama Bin Laden durch seine angeblich so revolutionären Taten zu einen versuchte. Der demokratische Frühling, der bereits Diktatoren und Autokraten in Nordafrika hinwegfegte, orientiert sich eher an unseren Freiheitswerten als an Osamas islamistischen Visionen. Mehr Bikini als Burka. Bin Ladens Versuch, den Islam zur Rechtfertigung seiner Mordtaten zu benutzen, hat die Religion Mohammeds nicht nur in den Augen der westlichen Welt zur Gefangenen fanatischer Ideologen gemacht - und im Westen zusätzlich eine Islam-Furcht ausgelöst, die, wenn man so will, unter anderem den Nährboden für rechtsgerichtete Populisten bereitet. Und dabei denken wir weniger an den dumpfen Rassismus von deutschen Neonazis als vielmehr an das eher feinere Gift in den Ideen, wie sie zum Beispiel der Holländer Geert Wilders verbreitet und das sich bis in die Hirne bürgerlicher Kreise hineinfrisst.
Islam-Furcht war sicherlich auch eine der Triebfedern des Norwegers Anders Breivik, der erst vor wenigen Wochen 76 vorwiegend junge Menschen hinmetzelte. Und letztlich verdanken wir in Teilen wohl auch dieser unsinnigen Islamphobie den Erfolg des Hobbygenetikers Thilo Sarrazin.
Geschwächt sind auch die USA. War der Krieg in Afghanistan, wo schließlich Osama Bin Laden mit Unterstützung des Taliban-Regimes in Kabul sein weltweites Terrornetz spann, noch zu rechfertigen, war der Angriff auf den Irak gestützt auf Rache und ein Konstrukt der Geheimdienste. Er kostete über 100 000 Menschen das Leben und vor allem die USA Billionen Dollar. Kriege auf Kredit, die die Vereinigten Staaten fast ruiniert haben.
Das Ergebnis: eine kränkelnde Wirtschaft, wie wir sie gerade in diesen Tagen besichtigen können. In seinen Kriegen hat Amerika viel Kraft verbraucht, die das Land jetzt gut gebrauchen könnte, um die Herausforderung durch die mächtig gewordene Wirtschaftskraft Chinas bestehen zu können. Die Vereinigten Staaten sind aber nicht nur wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten, sondern haben auch weltweit moralisch an Ansehen verloren - zum Beispiel durch die Foltervorwürfe in den Gefängnissen von Abu Ghraib und Guantánamo.
Verlierer sind aber auch wir alle. Die Terroranschläge haben gezeigt, wie verwundbar unsere offene Gesellschaft ist. Wir haben Gesetze geändert, Richtlinien verschärft. Wer heute in einem Flugzeug verreist, muss sich Kontrollen gefallen lassen, die teilweise an die des früheren Ostblocks erinnern. Was damals dem Erhalt von Diktaturen diente, ist heute der Preis der Freiheit. Wir verteidigen damit unsere Werte und unsere Lebensweise. Aber das sollte uns die erhöhte Wachsamkeit wert sein.