Die Zahl der Hochzeiten hat einen neuen Tiefstand erreicht. In Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein kommen mehr uneheliche Babys zur Welt.
Kiel/Hamburg. In Hamburg und Schleswig-Holstein heiraten immer weniger Menschen. Im Jahr 2000 haben sich in den evangelischen Kirchen noch 6.627 Paare das Ja-Wort gegeben, im vergangenen Jahr gab es nur noch 4.424 Eheschließungen und damit ein Drittel weniger. Auch die Zahl der standesamtlichen Trauungen sank im Zeitraum von 2000 bis 2010. In Hamburg und Schleswig-Holstein gingen vor zehn Jahren 25.714 Paar in die Standesämter, im vergangenen Jahr waren es 23.908 und damit sieben Prozent weniger. Dies geht aus Statistiken des nordelbischen Kirchenamts in Kiel und des Statistikamts Nord hervor.
Auch eine Schwangerschaft ist für viele Paare längst kein Grund mehr für die Ehe. In Deutschland kamen im vergangenen Jahr 33 Prozent aller Babys unehelich zur Welt - so viele wie nie zuvor. In Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein lag die Zahl der Babys nicht verheirateter Eltern sogar noch höher: In Bremen waren 39 Prozent der frischgebackenen Eltern nicht verheiratet, in Hamburg 36 Prozent und in Schleswig-Holstein 35 Prozent.Seit 1990 hat sich der Anteil der außerehelich zur Welt gekommenen Babys in Deutschland damit mehr als verdoppelt, so das Statistische Bundesamt in Wiesbaden.
"Heiraten ist freiwilliger geworden", sagt Renate Reddemann, Geschäftsführerin und Beraterin von Pro Familia. "Schwangerschaft, Hochzeit, Haus bauen - wir warnen sogar davor, gleich alles auf einmal zu machen, weil das zu viel Stress ist. Wir raten dazu, kleine Schritte zu gehen." emeinsames Sorgerecht sei inzwischen bei unverheirateten Eltern die Regel und damit nicht mehr der Grund für eine Ehe. Auch um eine Wohnung zu finden, müssten werdende Eltern heute nicht mehr verheiratet sein. "Früher ging das ja ohne Mann gar nicht", sagt Reddemann.
Was bei einer Entscheidung für eine Hochzeit oft eine Rolle spiele, sei die Steuer. "Das ist der Punkt, der meist vom Mann eingebracht wird." Wenn sich Paare nach der Geburt ihres ersten Kindes das Jawort geben, gehe es oft um Steuererleichterungen. "Je mehr Kinder, desto eher wird geheiratet."
In ländlicheren Regionen ist Heiraten nach Einschätzung Reddemanns noch selbstverständlicher als in der Stadt. Paare lebten dort häufig in oder neben dem Haus der Eltern.
Nicht verheiratet sind die Eltern vor allem beim ersten Kind, wie die Statistik weiter zeigt: Unter den Erstgeborenen hatten 2010 rund 43 Prozent nicht miteinander verheiratete Eltern, wobei es im Westen 36 Prozent und im Osten 74 Prozent waren. Die Zahlen lassen vermuten, dass Paare oft nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes heiraten: Bei 20 Prozent der Eheschließungen im Jahr 2010 gab es schon mindestens ein gemeinsames voreheliches Kind, wobei es in den neuen Bundesländern 36 Prozent und im alten Bundesgebiet 16 Prozent waren. Das war vor 20 Jahren noch nicht so: 1991 hatten nur acht Prozent der Brautpaare schon gemeinsamen Nachwuchs.
Im EU-Vergleich werden in Deutschland unterdurchschnittlich viele Kinder außerhalb einer Ehe geboren. Der EU-weite Durchschnitt lag 2009 bei 38 Prozent. Dabei waren die Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten immens: Am höchsten war der Anteil der außerehelichen Geburten in Estland (59 Prozent), am niedrigsten in Griechenland (7 Prozent).
In Zukunft werden, so Demografin Michaela Kreyenfeld, noch mehr Kinder in Deutschland nicht ehelich geboren werden. Die meisten jungen Menschen in Deutschland wünschten sich Kinder, doch eine Heirat gehöre nicht mehr zwangsläufig dazu, sagt sie. Sie gehe davon aus, dass in Westdeutschland künftig noch weniger oft geheiratet werde und der Anteil der nicht ehelichen Kinder weiter steigen werde, sagte die Wissenschaftlerin. Für Ostdeutschland erwarte sie, dass bald "ein Plateau erreicht" sei. (abendblatt.de)