Hamburg braucht ein drittes Kreuzfahrtterminal und mehr Umweltschutz bei Schiffen.
In der leidigen Diskussion mit Berlinern, welche Stadt nun attraktiver sei, haben die Hamburger immer einen Trumpf. Den Satz: "Aber wir haben den Hafen!" Das sitzt.
Die einzigartige Lage an der Elbe haben schon unsere Vorfahren erkannt. Heute dringt die herausragende Bedeutung des Hafens der Allgemeinheit eher in Spurenelementen ins Bewusstsein. Wenn beim sonntäglichen Spaziergang auffällt, dass die Hafenkräne beim Containerumschlag kaum eine Pause machen oder dass einmal mehr ein Kreuzfahrtschiff in der HafenCity oder am neuen Altonaer Terminal liegt, dem Platz der früheren Englandfähre. Voraussichtlich 120 der mehr oder weniger schicken Pötte steuern in diesem Jahr Hamburg an, also im Durchschnitt an jedem dritten Tag einer - das ist Rekord. Wer Anfang des Jahrtausends diese Entwicklung vorhergesehen hätte, als sich kaum zwei Dutzend Schiffe nach Hamburg verirrten, darf sich Prophet nennen.
Die Gleichung des erfolgreichen Kreuzfahrtgeschäfts ist ebenso simpel wie perfekt: Sehnsucht nach Meer plus Komfort mal hohen Sicherheitsfaktor, geteilt durch - im Vergleich zu früher - moderate Preise. Das Ergebnis ist eine steil wachsende Zahl von Passagieren, die in der Hansestadt Station machen. Eine halbe Million soll es bis 2015 sein. Leicht übertrieben gesagt: Nach der "Aldisierung" kommt die "Aidasierung".
Doch Erfolg bedeutet auch Verantwortung. Die herausragenden Fragen sind: Wo können weitere Schiffe abgefertigt werden? Und wie begegnet man der Tatsache, dass immer öfter Naturschützer aus Protest gegen die Umweltverpestung durch Schwefel und Feinstaub in den Abgasen an den Gangways Spalier stehen? Da das Altonaer Terminal bei einer Begrenzung auf 50 Anläufe pro Jahr schnell an seiner Kapazitätsgrenze sein wird und die HafenCity ausgelastet ist, ist die Prüfung eines dritten Standortes nötig. Das Überseezentrum am jenseitigen Elbufer erscheint als mittelfristige Lösung logistisch sinnvoll und machbar.
Schwerer ist das Problem Umweltverschmutzung in den Griff zu bekommen. Zwar wurde der Schwefelwert von Schiffsdiesel bei Hafenliegern begrenzt, er ist jedoch immer noch hundertmal so hoch wie der von Dieselkraftstoff an Land. Und auf hoher See wird weiter lieber mit Schweröl gefahren, dem zähen Rest aus der Ölindustrie. Das ist günstiger.
Stets führen die Reeder Kostengründe an, auch wenn es um die Antriebsnachrüstung auf sauberes Flüssiggas oder um Landstrom-Anschlüsse geht. Doch man fragt sich, mit welchem Recht sich Hamburg Umwelthauptstadt nennt, wenn die Bestrebungen beim Umweltschutz im Hafen nur mit halber Kraft gefahren werden.
Wirtschaftssenator Horch muss sich mit seinen Ankündigungen, sich des Themas intensiv anzunehmen, beim Wort nehmen lassen. Der Blick nach Los Angeles ist richtig, kommt allerdings etwas spät: Schon vor rund zehn Jahren erkannte man in der amerikanischen Metropole und im schwedischen Göteborg, dass ein Viertel der Luftverschmutzung der Stadt aus dem Hafen stammt - und handelte mit dem Bau großer Landstromanlagen, deren Energie sauberer ist als die aus den Schiffsgeneratoren. Hamburg guckte zu, doch geschehen ist nichts, immer mit Verweis auf die internationalen Unterschiede bei diesem Thema.
Das sogenannte Marpol-Abkommen zum Schutz der Meere, das den zulässigen Schwefelgehalt von Schiffen weltweit auf 0,5 Prozent senkt, gibt nun den Kurs vor. Es muss etwas passieren, auch wenn Reeder und Kreuzfahrtpassagiere dies ein Stück weit bezahlen müssen.
Hamburgs Chance ist und bleibt die einzigartige Lage am Wasser. Und anders als am Abgrund gilt dort: Wer einen Schritt vorangeht, ist am Ende erfolgreicher.
Die Autorin ist stellvertretende Leiterin des Abendblatt-Lokal-Ressorts