Marktführer prescht vor. Aber nur wenige Autofahrer tanken E10. Konzern gerät wegen möglicher Änderung seines Vergütungssystems in die Kritik.
Hamburg. Der Preis für Biosprit E10 war gestern Nachmittag an der Aral-Tankstelle an der Hamburger Rentzelstraße mit 1,499 Euro pro Liter ausgezeichnet. Das waren drei Cent weniger, als das bisherige Superbenzin E5 kostete. Doch wer den neuen Kraftstoff tanken wollte, hatte Pech. Die rund 36 Aral-Stationen in Hamburg sind zwar bereits für die neue Sorte umgerüstet, der billigere Sprit wird aber erst in wenigen Tagen in den unterirdischen Tank der Zapfsäule gefüllt.
Nach langem Zögern will Deutschlands größter Tankstellenkonzern nun in Hamburg als erster Konzern den umstrittenen Biosprit flächendeckend einführen. Mitbewerber wie Shell oder Esso ziehen da noch nicht nach. Sie wollen abwarten und den Markt beobachten, weil sich der neue Sprit, der seit Jahresanfang in Deutschland eingeführt wird, in anderen Bundesländern als Ladenhüter entpuppt hat.
+++ Strafzahlung bei Biosprit E10 längst abgedeckt +++
+++ Nur jeder siebte Autofahrer tankt den Biosprit E10 +++
+++ Medien: Mineralölkonzerne profitieren vom E10-Chaos +++
Zwar vertragen 90 Prozent der in Deutschland zugelassenen Autos den Biokraftstoff. Bei den restlichen drei Millionen Fahrzeugen ist die Lage unübersichtlich. Experten warnen vor Motorschäden, doch der ADAC stellte bei Langzeittests keine Probleme fest. Immerhin akzeptieren noch rund drei Viertel der Kunden die neue Sorte nicht, die eigentlich schon im zweiten Quartal in Hamburg erhältlich sein sollte. Sie bezahlen lieber eine höhere Benzinrechnung, um sich mit ihrem Auto auf der sicheren Seite fühlen zu können.
Diese Haltung hat in den vergangenen Monaten die Einführung der neuen Benzinsorte auch in Hamburg gebremst. Doch jetzt prescht der Marktführer vor. "Bis Jahresende soll E10 an allen unseren Stationen in Deutschland erhältlich sein", sagte ein Aral-Sprecher dem Abendblatt . Gleichzeitig lässt der Konzern keine Gelegenheit aus zu betonen, dass die verpatzte Einführung von E10 für die gesamte Branche teuer war. Mehrere Millionen Euro wurden in den vergangenen Monaten von den Ölmultis bereits in die Umrüstung von Raffinerien und Tankstellen investiert - ohne allerdings den Absatz des Biobenzins anzukurbeln.
Weil zu wenige Autofahrer den neuen Sprit akzeptieren, rechnet die Branche jetzt mit einer Strafzahlung in Höhe von 300 bis 400 Millionen Euro. Denn mit E10 sollte die Bioquote am deutschen Spritverkauf erhöht werden. Doch dieses Vorhaben ist mit E10 nicht realisiert worden. "Am Ende wird den Unternehmen nichts anderes übrig bleiben, als die entstandenen Kosten an die Kunden weiterzugeben", sagte Aral-Chef Uwe Franke. Der ADAC hält dagegen, dass die Mineralölkonzerne schon seit dem Frühjahr viel zu viel Geld für ihren Sprit kassieren, um die finanzielle Delle auszugleichen, die die Einführung von E10 hinterlassen hat. Dieses Vorgehen wird von der Mineralölbranche mit Verweis auf die nicht erreichte Bioquote bestätigt, die die Bundesregierung beim Spritverkauf eingefordert hat. Zwei bis drei Cent würden demnach von den Konzernen pro Liter getanktem Super E5 bereits seit Monaten mehr verlangt - auch, um die Autofahrer für den Umstieg auf das preiswertere Benzin E10 zu bewegen.
Derweil gerät Aral wegen der möglichen Erprobung eines neuen Vergütungssystems für seine Pächter in die Kritik. Getestet wird laut "Welt" ein Modell, das von der gängigen Praxis stark abweicht. Bislang erhalten die Pächter von Aral eine Provision für jeden Liter Kraftstoff, den sie verkaufen. Künftig könnte diese Einnahme nicht nur an die Absatzmenge, sondern auch an die Höhe des Preises, zu dem der Liter Sprit verkauft wird, gekoppelt werden. Kritiker vermuten, Aral versuche auf diese Weise seine Preise an der Zapfsäule hochzuhalten. Der Konzern weist dies zurück. Man prüfe immer mal wieder alternative Vergütungsmodelle, sagte ein Aral-Sprecher auf Anfrage. In Zeiten drohender Strafzahlungen wegen des Verfehlens der Bioquote und hoher Investitionen in die Umrüstung der Tankstellen wolle das Unternehmen seine Preise aber keinesfalls künstlich nach oben treiben. Verbraucherschützer bezweifeln dies.