Im Tierheim an der Süderstraße herrscht drangvolle Enge. In der Ferienzeit haben wieder viele Besitzer Tiere ausgesetzt.
Hamm. Versteckt liegt Kaa unter einem Stück Baumrinde. Vorsichtig schiebt sie ihren Kopf hervor. Um nur wenige Sekunden später wieder zu verschwinden. Ganze zwei Meter misst Kaa. Bräunlich schimmert ihre Haut. Zu Hause ist sie normalerweise auf der Südhalbkugel der Erde. Kaa aber lebt mitten in Hamburg. Sie ist eine Madagaskarboa. Wohnhaft in der Süderstraße 399, im Hamburger Tierheim.
Seit dem 17. Juli liegt sie hier. Ihre Nachbarn sind Schildkröten, Spinnen und Hunde. Eines haben sie alle gemeinsam: Die Tiere wurden ausgesetzt oder abgegeben. Allein gelassen, weil es neben Urlaub und Sommerferien keinen Platz mehr für sie gab. "Die meisten Menschen bedenken nicht, dass ein Tier mehrere Jahre lang in die Lebensplanung miteinbezogen werden muss", sagt René Olhöft, Sprecher des Hamburger Tierschutzvereins. Deswegen werden vor allem die Sommerferien vielen Haustieren zum Verhängnis. "Auch dieses Jahr hat sich das Tierheim während der vergangenen Wochen wieder überdurchschnittlich gefüllt", so der 35-Jährige. Jetzt, rund zwei Wochen nach Ferienende, leben dort etwa 150 Hunde, 380 Katzen und fast 500 Kleintiere - deutlich mehr als üblich, allein bei den Kleintieren sind es 150 mehr als sonst.
Die Schlange Kaa war gemeinsam mit einer anderen Boa im Nordosten Hamburgs ausgesetzt worden. In einem Styroporkarton. Auf einem Hundeplatz nahe der Helmut-Schmidt-Universität. Dolkan und Urgur-Can Ünlü fanden sie dort, als sie abends mit ihren Hunden unterwegs waren. Die beiden Jungen sind neun und 13 Jahre alt - den Schrecken, den der neugierige Blick in die Styroporbox verursachte, werden sie lange nicht vergessen. Sie riefen ihre Tante zu Hilfe. Gül Ünlü, 31, konnte zunächst gar nicht glauben, was ihre Neffen ihr da berichteten. Sie handelte geistesgegenwärtig. Mit Teppichklebeband verschloss sie die Box, verstaute sie im Auto und fuhr zur Polizei. "Die Beamten staunten nicht schlecht."
Ünlü findet es unverantwortlich, dass der Besitzer die Schlangen einfach mitten im Stadtgebiet ausgesetzt hat: "Die sind doch gefährlich - für Menschen und für Tiere." Kaa und ihr Gefährte sind jedoch keine Einzelfälle. Vier Schlangen fanden im letzten Monat im Tierheim ein neues, vorläufiges Zuhause. Eine Tigerpython hatte es sich am 11. August auf einem Autoreifen in Niendorf "bequem" gemacht - eine Königspython "fiel", so Olhöft, "eine Woche zuvor von einem Balkon". Gefunden habe sie ein Anwohner im Garten. Was bei vielen Menschen nur Kopfschütteln auslöst, ist für den Tierheimsprecher Alltag. Glücklicherweise finden viele Tiere schnell neue Besitzer. Auch die Tigerpython und die zweite Madagaskarboa wurden schon vermittelt. Interessenten können sich unter Telefon 040/211 10 60 melden.