In der kleinen Kapelle der HafenCity suchen 19 Hamburger Kirchen neue Glaubenswege und überschreiten die Grenzen ihrer Konfession.
Hamburg. Früher waren Kirchen immer die höchsten Gebäude einer Stadt. Im neuen Hamburger Stadtteil Hafencity steht zwischen all den Wohn- und Bürotürmen eine kleine Kapelle aus Glas und dunklem Holz. Nur die benachbarten Bau-Container sind noch kleiner. Hier suchen die Kirchen neue Wege für ein geistliches Leben in der modernen Stadt.
Die Hafencity gilt als eines der größten Stadtentwicklungsprojekte in Europa. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hatte der Senat in den 90er-Jahren große Flächen des nördlichen Freihafens aufgekauft, um diese dann als neues Stadtquartier zu gestalten. Bis 2020 sollen hier Wohnungen für 12.000 Menschen und Büroflächen für rund 40.000 Arbeitsplätze entstehen. Während der westliche Teil zu den Landungsbrücken hin weitgehend fertiggestellt ist, beginnen für den östlichen Teil erst die Planungen. Die U-Bahn ist bereits im Bau.
Wenn Pastorin Antje Heider-Rottwilm an Werktagen um 13 Uhr das Mittagsgebet in der kleinen Kapelle beginnt, hat sie genau 15 Minuten Zeit. Wer in seiner Mittagspause die Andacht besucht, müsse sich darauf verlassen können, dass er pünktlich mit einem Segen wieder am Arbeitsplatz ist, sagt sie. „Einmal durchatmen, einmal zu sich selber kommen.“ Zur Liturgie gehört ein Bibelwort, Stille, ein Lied und der Segen. 50 Plätze bietet die Kapelle. Nebenan blüht eine Wildblumenwiese und ernährt den kircheneigenen Bienenstock.
In der Hafencity wollen die Kirchen einmal etwas Neues wagen und ihre Konfessionsgrenzen überschreiten. 19 Kirchen sind Mitglied im Trägerverein „Brücke“, der dem neuen Stadtteil geistliche Impulse geben will. Die beiden großen Kirchen gehören ebenso dazu wie Orthodoxe, Baptisten, Reformierte und Mennoniten. Für die geistliche Leitung wurden vier Mitglieder der christlichen Lebensgemeinschaft „Laurentiuskonvent“ berufen, darunter seit Anfang 2008 Antje Heider-Rottwilm als hauptamtliche Pastorin.
Vor allem an sonnigen Wochenenden flanieren Hunderte Touristen und Einheimische an den Hafenbecken entlang, wo eine Skulptur daran erinnert, dass hier vor 600 Jahren der Pirat Klaus Störtebeker geköpft wurde. Mit kritischem Blick beäugen sie die postmoderne Architektur und genießen in den Cafés die Mischung aus mediterranem Flair und norddeutscher Hafenromantik. Blickfang ist die Baustelle der Elbphilharmonie, die bislang vor allem durch ihre exorbitante Kostensteigerung Schlagzeilen machte.
Dass in der Kapelle am Sonntagvormittag kein Gottesdienst gefeiert wird, gehört zum Konzept. Gemeindekirche für evangelische Lutheraner ist die altehrwürdige St. Katharinen-Kirche, für Katholiken der „Kleine Michel“. Vielmehr will die „Brücke" Bindeglied zu den Ortsgemeinden sein und die Menschen in der Hafencity zusammenbringen: Singles und Familien, Einwohner und Angestellte, Arme und Reiche. Angeboten werden Veranstaltungen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, ein Kreuzweg am Karfreitag und ein Tag der Menschenrechte im Advent. Im April öffnete das Café „Kleine Elb-Faire“ an der Osakaallee mit fair gehandelten Bio-Produkten.
Das Image der Hafencity sei „etwas schräg“, findet Antje Heider-Rottwilm. Das Quartier werde eher mit reichen Singles als mit Familien und Durchschnittsverdienern in Verbindung gebracht. In der Armutsstatistik rangiert die Hafencity noch ganz am Ende der Stadtteile. Das werde sich aber im nächsten Bauabschnitt ändern, prognostiziert die Pastorin. Unter den neuen Mietern werden auch ärmere Familien und Studierende sein. Knapp 2000 Menschen leben derzeit in der Hafencity. Eine Schule und einen Kindergarten gibt es bereits. Demnächst öffnet hier der erste Lebensmittelmarkt.
So will es die „Brücke“ bei der kleinen Kapelle nicht bewenden lassen, zumal diese nur auf einem gemieteten Grundstück steht. Im Frühsommer nächsten Jahres soll in der benachbarten Shanghai-Allee ein neues Gebäude eingeweiht werden.
Ins Erdgeschoss kommt eine Kapelle, eine kirchliche Info-Stelle und das Café „Große Elb-Faire“. Darüber werden die Kanzlei der evangelischen Bischöfin Kirsten Fehrs und andere kirchliche Einrichtungen einziehen. Die oberen vier Stockwerke sind für ein christliches Wohnprojekt mit fast 30 Wohneinheiten vorgesehen, in dem auch internationale Kirchengäste und der Laurentiuskonvent leben werden. 13 Millionen Euro sind dafür vorgesehen. Und mit geplanten sieben Stockwerken ist das kirchliche Haus dann auch auf Augenhöhe mit anderen Gebäuden in der HafenCity.