Das Einkaufscenter soll ausgebaut werden, eine Grünfläche mit Spielplatz weichen. Plötzlich wächst der Widerstand der Anwohner.
Hamburg. Vögel zwitschern in den Bäumen. Auf einer Parkbank erzählen sich zwei ältere Damen Neuigkeiten aus dem Viertel, vom Spielplatz her klingt Kinderlachen. Der kleine Park zwischen den beiden Gebäuden des Eidelstedt-Centers ist ein kleines Idyll mitten im Stadtteil. Dennoch sollen die Laubbäume abgeholzt und die Spielgeräte abgerissen werden. Auf der Grünfläche ist ein Neubau geplant, eine Erweiterung des Einkaufszentrums um 12.000 Quadratmeter.
Der Umsatz der Geschäfte in dem wenig einladenden 80er-Jahre-Bau sinkt seit Jahren, Ladenflächen stehen leer, Geschäfte für jüngere Kunden gibt es kaum. Wenn hier nichts passiert, kann das Eidelstedt-Center über kurz oder lang dichtmachen. Daher plant der Investor MEAG, das aus zwei Teilen bestehende Einkaufszentrum zu modernisieren und durch einen Neubau auf der bisherigen Grünfläche zu verbinden.
Doch gegen das Vorhaben regt sich Widerstand. "Die Eidelstedter hängen an der Grünfläche - sie schafft eine hohe Identifikation mit dem Stadtteil", sagt Horst Becker, einer der Initiatoren des Bürgerbegehrens "Grünes Zentrum Eidelstedt". "Eine Aufwertung des Centers ist wichtig und notwendig, aber nicht auf dieser Fläche." Bis zum 10. Dezember haben Becker und seine Mitstreiter Zeit, Unterschriften für den Erhalt der Baumbestands, der Grünflächen, der Wegeverbindungen am Eidelstedter Platz und des Spielplatzes zu sammeln. Das Bürgergehren ist dann erfolgreich, wenn drei Prozent der wahlberechtigten Eimsbütteler es unterstützen. Benötigt werden somit 5829 Unterschriften. "Bislang haben wir rund 2000", sagt Becker. Diese reichen allerdings schon, um einen Planungsstopp zu erreichen. Denn wird vor Fristende bereits ein Drittel der notwendigen Unterschriften eingereicht, tritt die sogenannte Sperrwirkung ein.
Bei der Politik stößt der Protest auf Unverständnis. "Seit fünf Jahren werden intensive Gespräche über das Eidelstedt-Center geführt.", sagt die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Martina Koeppen. Auch mit den Bürgern sei das Thema diskutiert worden. "Und jetzt, kurz bevor das Bebauungsplanverfahren abgeschlossen ist, entdeckt plötzlich jemand eine Wiese." Mutwillig Bäume fällen, das wolle niemand. "Ein Kompromiss wäre, die Bäume zu verpflanzen", schlägt Koeppen vor.
Dass für den Neubau eine alternative Fläche gefunden wird, ist wohl ausgeschlossen. "Es gibt keine Alternative, das ist die einzige sinnvolle Möglichkeit", sagt Michael Börner. Der Geschäftsführer von Harmonia Immobilien begleitet das Bebauungsplanverfahren für den Investor MEAG aus München, der einen zweistelligen Millionenbetrag in das Projekt stecken will. "Das verlorene Grün soll an anderer Stelle ersetzt werden", sagt Börner. Werde das Center nicht renoviert und erweitert, gehe es mit ihm bergab.
Das befürchtet auch Ayhan Keskiner, der eine kleine Weinstube im Center betreibt. "Wenn nicht vergrößert wird, können sie das Center gleich abreißen", sagt der 37-Jährige. Er fürchtet um seine Existenz. "Wenn nicht bald wieder mehr Kunden kommen, überleben wir nicht." Sein Gast Uwe Ahrendt, ein alteingesessener Eidelstedter, kann die Sicht des Wirtes nachvollziehen. "Aber der Spielplatz und die Grünfläche liegen mir mehr am Herzen", sagt der 60-Jährige. "Hier eine Betonwüste hinzubauen, wäre ein Unding." Er habe dort früher auch mit seinen Kindern gespielt. "Wir haben doch alle Familien - oder gelten wir etwa nur noch als Käufer?" Viele Besucher des Einkaufszentrums teilen seine Meinung. Janet Salcho besucht den Spielplatz häufig mit ihrem zwei Jahre alten Sohn Tino. "Den Platz darf man nicht plattmachen", sagt sie. "Wenn ich ausgiebig einkaufen will, fahre ich nach Altona."
In dieser Woche will sich Michael Börner mit der Bürgerinitiative zusammensetzen. "Ich hoffe, dass wir sie mit guten Argumenten überzeugen können. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Initiative ein lebendiges Eidelstedt verhindern will." Dass das Einkaufszentrum größer und moderner werden muss, dieser Meinung sind auch Horst Becker und seine Mitstreiter. "Aber die letzte zentrale Grünfläche im Stadtteil muss erhalten bleiben", sagt der langjährige GAL-Bezirkspolitiker, der die Grünfläche erst im Wahlkampf 2011 für sich entdeckte. Für ihn wäre es denkbar, westlich des Centers Grundstücke zu erwerben und dort zu bauen. Für den CDU-Bezirkspolitiker Frank Döblitz ist Beckers Verhalten "im hohen Maße unverständlich. Er hat das Verfahren damals mit angeschoben - und jetzt klammert er sich auf einmal an jeden Baum", sagt er. Döblitz hofft, dass alle Beteiligten einen Kompromiss finden. Auch für SPD-Bezirksfraktionschef Rüdiger Rust hat die Neugestaltung Priorität. "Sonst ist es dem Niedergang geweiht", sagt er. "Zudem ist die Einkaufsqualität nicht davon abhängig, ob ich mich unter einem Baum ausruhen kann."