Die Großsiedlung Mümmelmannsberg hat keinen guten Ruf. Jetzt soll sie renoviert werden. Die Saga-Millionen kommen zur rechten Zeit.
Hamburg. Für "Mr. Mümmel", der eigentlich Hasan Yeryaran heißt, ist die Geschichte des Niedergangs recht einfach. "Erst machte die Sparkasse zu, dann der Plus-Markt, dann die Schlachterei, jetzt ist die Ecke tot." Vor 45 Jahren kam Yeryaran aus Istanbul nach Deutschland. Seit 1985 lebt er in Mümmelmannsberg. Seit bald zehn Jahren repariert er Schuhe und schleift Schlüssel in seinem Laden am alten Einkaufszentrum. "Eine Geisterecke", sagte der 54-Jährige am Freitag. Am liebsten wäre ihm, "sie würden alles abreißen und neu machen". Das Geschäft laufe schlecht. "Aber wir boxen uns durch." Als Yeryaran aus dem Fenster blickte, über dem in roten Buchstaben "Mr. Mümmel" geschrieben steht, konnte er Ungewöhnliches beobachten.
Im alten Einkaufszentrum gegenüber, hinter den Schaufenstern, nahmen Dutzende Menschen auf Stuhlreihen Platz, hinter ihnen Plakatwände mit Skizzen und Plänen des Quartiers, vor ihnen die Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Jutta Blankau (SPD), der Bezirksamtsleiter von Mitte, Markus Schreiber, und der Chef der Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona (Saga/GWG), Lutz Basse.
Die drei waren in die etwas abgelegene Hamburger Großsiedlung gekommen, um zu verkünden, dass sich das Leben von "Mr. Mümmel" und den anderen rund 19 000 Menschen im Viertel bald verändern werde. Zum Besseren. Denn die Saga/GWG will in den nächsten Jahren rund 130 Millionen Euro für die Entwicklung des Quartiers ausgeben. "Mümmelmannsberg 2020" heißt das Konzept, und für Amtschef Schreiber ist es eine historische Chance für "Bunny Hill" oder "Mümmelcity", wie Anwohner den Stadtteil auch nennen.
Drei Straßenzüge weiter, im Wohnzimmer von Eva-Maria Brakhage, wurde am Freitag vor allem der Zustand des Einkaufszentrums diskutiert. Hinter ihr schwammen und krabbelten Antennenwelse, Phantomsalmler und Fächergarnelen im Aquarium. Die 55-Jährige lebt mit ihrem Mann seit 1976 in Mümmelmannsberg. Und immer gern, wie sie sagte. Drei ihrer vier Kinder wohnten noch in der Nähe, der Enkel gehe hier in den Kindergarten. Für 69 Quadratmeter zahlten sie 431 Euro Kaltmiete. Alles gut. Nur das Einkaufszentrum an der U-Bahnstation sei ein Problem. Früher, sagte sie, habe es dort eine Sparkasse gegeben, eine Post, einen Supermarkt und vor allem einen Zooladen. Heute steht im Einkaufszentrum viel leer. Es gibt ein Fitnesscenter, Kioske, ein Solarium und einen Handyshop. Heute müsse sie bis Billstedt fahren, um Lebendfutter für ihre Fische zu bekommen, sagte Brakhage.
Wie nötig eine umfangreiche Sanierung des Komplexes aus Einkaufszentrum und Wohngebäuden ist, zeigt ein kurzer Rundgang im Quartier. Trist, grau, Schießscharten-Fenster und 16 Stockwerke - so erinnern die Türme an Plattenbau-Sünden des Ostblocks. Einige Balkone sind zum Schutz gegen Tauben mit Netzen verkleidet. In den Treppenhäusern riecht es streng. Graffiti schreien um so derbere Beleidigungen von den Wänden.
Trotz des baulichen Verfalls sei Mümmelmannsberg weit besser als sein Ruf, sagte Bernd Holst. Der SPD-Bezirksabgeordnete und Vorsitzende des Vereins Bürger helfen Bürgern lobte das langfristige Investitionsvorhaben der Saga. Es komme zur richtigen Zeit, bevor das Quartier noch weiter heruntergewirtschaftet werde. "Dort leben wunderbare Menschen, aber bislang hatte die Ecke keine Image-Förderer." Jetzt komme es darauf an, die Bürger von Mümmelmannsberg bei der Umgestaltung mitzunehmen. Das könnte nicht ganz so einfach werden, wie das Beispiel "Mr. Mümmel" zeigt. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die hier so viel investieren. Ihre Vorgänger haben auch viel versprochen", sagte Hasan Yeryaran vom Schlüssel- und Schuhdienst. Andererseits sei er bereit, eine Weile mit einer Baustelle vor der Tür zu leben. "Wenn hier nur endlich Leben reinkommt."