Zwischen 16 und 21 Uhr herrschte gestern der Ausnahmezustand. Die Feuerwehr rückte 1293 Mal aus - und hat noch immer viel zu tun.
Hamburg. Nach dem schweren Unwetter in Hamburg sind die Einsatzkräfte jetzt am Aufräumen. „Wir kümmern uns immer noch um die Folgeschäden wie vollgelaufene Keller und Tiefgaragen sowie umgeknickte Bäume“, sagte ein Feuerwehrsprecher. „So etwas hatten wir in den letzten zehn Jahren nicht." Die Schadenshöhe konnte die Polizei noch nicht beziffern.
Bis Mitternacht zählte die Feuerwehr unter Mithilfe von 63 freiwilligen Feuerwehren allein 1.293 wetterbedingte Einsätze. In Spitzenzeiten waren mehr als 1000 Feuerwehrleute im Einsatz. Mit dem üblichen Tagesgeschäft registrierte die Feuerwehr somit am Montag 2.225 Einsätze. Durchschnittlich wird die Feuerwehr in Hamburg innerhalb von 24 Stunden zu etwa 630 Einsätzen gerufen.
Bei Karstadt an der Mönckebergstraße schoss das Wasser in der Bettwäscheabteilung von der Decke, in der Europa-Passage musste das Untergeschoss evakuiert werden. Die Gewitterschauer brachten mancherorts mehr als 20 Liter Niederschlag pro Quadratmeter zu Boden und damit sehr viel mehr Regen, als sich mancher Hamburger angesichts der anhaltend hochsommerlichen Temperaturen wohl gewünscht hatte. Unter den Regen mischten sich zudem teils erbsengroße Hagelkörner. Allerdings waren nicht alle Stadtteile von dem Unwetter betroffen. In Teilen Harburgs fiel kein einziger Tropfen Regen.
"Solche heftigen Unwetter sind im Norden eher selten, kommen im Durchschnitt dreimal im Jahr vor", sagt Frank Böttcher, Chef des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. Meteorologisch betrachtet, entstand das Unwetter, nachdem sehr feuchte und warme Luft aus dem Süden von kalter Luft aus dem Westen, insbesondere aus Großbritannien, verdrängt wurde und in höhere Schichten aufstieg. Das Ergebnis: Viele Keller, Tiefgaragen und Parterrewohnungen wurden überflutet, Bäume stürzten um, Gehwege sackten weg, Autos blieben in einen halben Meter tiefen Pfützen stecken, weil die Kanalisation überfordert war, die Wassermassen zu bewältigen. Der Druck in den Wasserableitungen war teilweise so hoch, dass Gullydeckel aus ihren Fassungen gehoben und weggeschwemmt wurden.
Am U-Bahnhof Gänsemarkt musste ein Ausgang gesperrt werden, nachdem das Wasser in breiten Kaskaden die Treppen hinuntergelaufen war. In der Station Jungfernstieg stand das Wasser teils knöchelhoch, Fahrgäste wateten barfuß zur U-Bahn. An Unterführungen am Hauptbahnhof lief das Wasser "sturzbachartig herunter", sagte ein Feuerwehrmann. Etliche S- und U-Bahn-Züge fielen aus, der öffentliche Nahverkehr war bis in den Abend eingeschränkt oder kam - wie die U 2 zwischen Jungfernstieg und Messehallen - sogar bis in die Nacht zum Erliegen. Auch der S-Bahn-Verkehr war durch das Unwetter beeinträchtigt. Zwischen den Stationen Ohlsdorf und Poppenbüttel wurde die Strecke zeitweise komplett gesperrt, weil Bäume auf die Gleise gestürzt waren. Erst mehr als zweieinhalb Stunden später war die Strecke wieder geräumt. Am Flughafen Fuhlsbüttel durften während des Unwetters eine halbe Stunde lang keine Flugzeuge starten und landen.
Das Unwetter überraschte jedoch nicht nur Pendler im Berufsverkehr: An der Willy-Brandt-Straße drohte die Fassade eines Hauses einzustürzen, nachdem der Regen es unterspült hatte. Die Feuerwehr wurde auch ins Rathaus und in die Innenbehörde am Johanniswall gerufen, dort waren die Technikräume voller Wasser gelaufen. Noch schlimmer traf es einige große Einkaufszentren: In der Europa-Passage wurde Wasser ins das Untergeschoss gedrückt, das daraufhin von der Polizei geräumt werden musste. Viele Kunden bekamen nasse Füße. Bei Karstadt an der Mönckebergstraße drang Wasser in mindestens ein Stockwerk ein und fiel von der Decke. Auch an der Staatsoper, am Hotel Atlantic und am Alstertal-Einkaufszentrum ging das Unwetter nicht vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Ein Kunde wurde in der Europa-Passage von herabfallenden Deckenteilen verletzt - Hand gebrochen.
Entspannung ist nicht in Sicht. "Die Großwetterlage ändert sich in den kommenden Tagen nicht", sagte Meteorologe Frank Böttcher. Weitere Unwetter werden bis zum Wochenende über Norddeutschland erwartet.