Die Hamburger Psychologin und ZDF-Moderatorin Bettina Eistel, 50
Hamburger Abendblatt:
1. 14 000 Menschen kündigen ernsthaft ihr Kommen zu einer privaten Geburtstagsparty über ein soziales Netzwerk an - was bedeutet das?
Bettina Eistel:
Das ist einfach nur absurd - und fernab von jeglicher Realität.
2. Bei einem soziales Netzwerk wie Facebook werden Menschen durch zwei Klicks automatisch zu Freunden. Ist Freundschaft dafür überhaupt noch der richtige Begriff?
Eistel:
Vor allem junge Leute verwechseln durch die gigantischen Verbindungsmöglichkeiten, die ihnen die sozialen Netzwerke heutzutage bieten, die Begriffe Qualität und Quantität in Bezug auf den Begriff Freundschaft. Das heißt, es kommt ihnen häufig mehr auf die Anzahl der Freunde an, als auf ihren Wert - oder anders ausgedrückt: Je größer die Anzahl der Freunde, desto höher wird der soziale Status angesehen.
3. Wie unterscheiden sich Freundschaften im Internet von realen zwischenmenschlichen Beziehungen?
Eistel:
Die Qualität einer realen Freundschaft manifestiert sich hauptsächlich durch gemeinsame Erlebnisse sowie gemeinsame positive und natürlich auch negative Erfahrungen. Die zweite Säule einer Freundschaft besteht aus Zuneigung, Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung. Die dritte Säule wird durch gemeinsame Interessen getragen, aber eben nicht hauptsächlich wie im öffentlich zugänglichen Raum, denn allgemeine Statements oder Selbstbeschreibungen, können Selbsterfahrungen auf Dauer nicht ersetzen.
4. Kann es dann im Internet überhaupt wahre Freundschaften geben?
Eistel:
Wenn die Verbindlichkeit einer Freundschaft durch die Menge an Freundschaften abgelöst wird, nein. Denn zu einer wahren Freundschaft gehören Vor- und Gegenleistungen und auch gegenseitige Verpflichtungen. Wahre Freunde sind außerdem nicht immer abrufbar, vor allem nicht morgens um drei. Sie würden einen Anruf um diese Zeit verzeihen, doch ein Ausflug ins Netz wäre bequemer, denn dann wird man schon irgendjemanden treffen. Hierin liegt die Gefahr, dass die Internetfreundschaft schnell austauschbar und beliebig werden kann.
5. Wird das soziale Leben langfristig immer mehr über das Netz geführt werden, oder sind Facebook und Co. bloß eine Zeiterscheinung?
Eistel:
Das Suchen und Finden von Freunden, aber auch Lebenspartnern ist durch die vielen sozialen Netzwerke einfacher geworden. Doch wahre Freundschaften und Beziehungen müssen gepflegt werden. Letztendlich kommt es immer auf die Bereitschaft und das Engagement des Users an, ob aus Netzfreundschaften irgendwann richtige Freundschaften erwachsen.