Volksbegehren zum Rückkauf der Versorgung mit Fernwärme, Strom und Gas ist gestartet. Hamburg will nur “strategischen Anteil“ erwerben.
Hamburg. Punkt zwölf Uhr, mit dem Glockenschlag der Petrikirche im Hintergrund, hat die Volksinitiative "Unser Hamburg - unser Netz" am Donnerstag den symbolischen Schalter umgelegt und damit das Volksbegehren zum Rückkauf der Versorgungsnetze gestartet. Für ein erfolgreiches Begehren müssten in dieser zweiten Stufe der Volksinitiative bis einschließlich 22. Juni insgesamt 62 732 gültige Unterschriften von Hamburgern zusammenkommen. Dazu sind mehr als 1300 freiwillige Sammler ab sofort in Hamburg unterwegs. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zur Initiative.
Wer steckt hinter der Volksinitiative?
Die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" ist ein parteiunabhängiges Bündnis aus Umweltverbänden, Bürger- und Verbraucherinitiativen und Kirchen. Im Trägerkreis der Initiative sind Attac Hamburg, Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hamburg, Evangelische Kirche Hamburg-Ost, Initiative "Moorburgtrasse stoppen!", Robin Wood und Verbraucherzentrale Hamburg.
Was will die Initiative - und warum?
Die Volksinitiative fordert die "vollständige Übernahme" der Hamburger Energienetze in die öffentliche Hand, die "demokratische Kontrolle" des künftigen städtischen Netzbetreibers, eine "faire und transparente Preisgestaltung" und den "zügigen Umbau der Netze für eine dezentrale und effiziente Energieversorgung aus erneuerbaren Energien".
Aus Sicht der Initiative ist der Rückkauf der Versorgungsnetze ein zentraler Schritt, um die "klimapolitischen Herausforderungen tatsächlich zu bewältigen". Das, was die großen vier - Vattenfall, E.on, RWE und EnBW - in den vergangenen zehn Jahren gemacht haben, reicht der Initiative nicht aus. Die Initiative sieht die Rekommunalisierung der Versorgungsnetze als einen "zentralen Hebel, um die Energieversorgung zukunftsfähig zu machen".
Was sind die Versorgungsnetze und wem gehören sie?
Der Begriff Versorgungsnetze fasst die Netze zur Fernwärme-, Strom- und Gasversorgung zusammen. Mit den Fernwärmenetzen bekäme die Stadt auch die zwei Kraftwerke Wedel und Tiefstack zurück. Wedel könnte - so die Vorstellung der GAL - durch ein Gaskraftwerk ersetzt werden und mittelfristig auch Wärme aus erneuerbaren Energien einspeisen. So müssten Hamburgs Haushalte nicht mit Strom aus Kohlekraftwerken geheizt werden. Auch in Moorburg müsste nach Auffassung der Initiative dann weniger Kohle verfeuert werden, wodurch die umstrittene Trasse durch Altona zum Kraftwerk Moorburg überflüssig wäre. Zurzeit gehören Strom- und die Fernwärmenetze dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall, die Gasnetze gehören der Aktiengesellschaft E.on Hanse.
Wann enden die Verträge mit den Unternehmen?
Die Konzessionsverträge mit der Stadt Hamburg laufen im Jahr 2014 aus. Zu diesem Zeitpunkt kann die Stadt die Netze entweder zurückkaufen oder die Konzession neu ausschreiben.
Was will der SPD-Senat - und warum?
Der Senat strebt den Erwerb eines "strategischen Anteils von mindestens 25,1 Prozent" an den Verteilnetzen für Gas, Strom und Fernwärme an, um "Handlungsspielräume in der Energiepolitik" zurückzugewinnen. Dazu will der Senat zügige Verhandlungen mit Vattenfall und E.on aufnehmen.
Den vollständigen Kauf der Versorgungsnetze hält der SPD-Senat für "nicht finanzierbar". Bürgermeister Olaf Scholz erhofft sich durch einen Anteil an den Netzen, Einfluss auf die Konzernpolitik der Netzbetreiber nehmen zu können. Experten bezweifeln, dass dies mit einem Anteil von 25 Prozent möglich sein wird.
Wie viel kostet der Rückkauf der Netze und wie soll er finanziert werden?
Die Initiative und auch die Hamburger Grünen schätzen den Rückkaufspreis derzeit auf etwa 1 bis 1,5 Milliarden Euro. Genaue Zahlen gibt es nicht, da Vattenfall bisher die Herausgabe der entsprechenden Unterlagen verweigert, obwohl dies im Konzessionsvertrag zwischen der Stadt Hamburg und Vattenfall klar geregelt ist. Vattenfall hat diesen Vertrag für unwirksam erklärt, um die Herausgabe der Daten zu verhindern. Die Stadt klagt deshalb vor Gericht auf Herausgabe der Daten.
Die Hamburger Grünen schlagen eine Finanzierung über die Hamburger Wasserwerke als Mutterfirma von Hamburg Energie vor. Aus den vorhandenen Rücklagen von Hamburg Wasser sollen 40 Prozent des Kaufpreises bestritten, die restliche Summe über Kredite bezahlt werden. Zins und Tilgung sollen durch die Einnahmen der Durchleitungsgebühren für Strom- und Gasnetz (450 Millionen Euro pro Jahr) gegenfinanziert werden
Wo werden Unterschriften gesammelt?
Gesammelt wird ab sofort auf allen Stadtteilfesten und bei Konzerten im Stadtpark. Außerdem in Cafés und an Ausflugszielen in der Stadt. Einen festen Stand wird es auf der Altonale geben. Zudem können Bürger ihre Unterschriften in der Verbraucherzentrale und beim BUND abgeben.
Wo gibt es Informationen?
Infos gibt es unter anderem im Internet unter www.unser-netz-hamburg.de außerdem beim BUND unter der Telefonnummer 600 387 17 und bei jedem Unterschriftensammler.