Schreiber nennt Schimmel-Wohnungen lebens- und menschenunwürdig. Behörde kündigt Bürgersprechstunden für Mieter in Wilhelmsburg an
Hamburg. Hunderte Hamburger Mieter des Wohnungsunternehmens Gagfah leben in verschimmelten und baufälligen Wohnungen - jetzt sollen sie Hilfe bekommen. Der Leiter des Bezirksamts Mitte, Markus Schreiber (SPD), kündigte gegenüber dem Abendblatt fünf Bürgersprechstunden für Betroffene in Wilhelmsburg an. In diesem Stadtteil hat die Gagfah rund 1300 Mieter, ihre Wohnungen gelten als besonders marode.
Schreiber erhob gegen das Wohnungsunternehmen schwere Vorwürfe. "Die Art und Weise, gar nichts in die Wohnungen zu investieren, halte ich für eine Sauerei", sagte er dem Abendblatt. "Ich halte dieses Vorgehen als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn Eigentum verpflichtet." Das Bezirksamt Mitte will in der kommenden Woche alle Wilhelmsburger Gagfah-Mieter anschreiben und zu insgesamt fünf Sprechstunden einladen. Die erste Sprechstunde soll schon am Donnerstag, 12. Mai, von 13 bis 16 Uhr im Stadtteilbüro Wilhelmsburg, Krieterstraße 1, stattfinden. Weitere Sprechstunden sind in den Wochen danach bis zum 20. Mai geplant.
Das Abendblatt hat in der vergangenen Woche über die Probleme vieler Gagfah-Mieter berichtet. Ihre Wohnungen verschimmeln, Tapeten fallen von den Wänden, Balkone und Fassaden bröckeln ab. Treppenhäuser und Keller sind mit Graffiti verschmiert. Ehemalige Gagfah-Führungskräfte schilderten, wie das Unternehmen zugunsten seiner Aktionäre an der Instandhaltung spart. Die Mietervereine zu Hamburg und Mieter helfen Mietern haben mehr als 100 Klagen gegen die Gagfah angekündigt. Die Gagfah erklärte, alle erforderlichen Reparaturen würden durchgeführt. Und man verfolge eine langfristige "Bestandhaltungs- und Vermietungsstrategie". Auch die neue Bausenatorin Jutta Blankau (SPD) äußerte sich jetzt erstmals. "Ich betrachte die Entwicklung bei den Wohnungsbeständen, die von Finanzinvestoren aufgekauft worden sind, mit sehr großer Sorge. Das gilt auch für die vielen Wohnungen der Gagfah in Steilshoop und Wilhelmsburg", sagte sie dem Abendblatt. Sie nimmt das Unternehmen in die Pflicht: "Die Gagfah hat dafür Sorge zu tragen, dass die Wohnungen in einen lebens- und menschenwürdigen Zustand gebracht werden." Die Senatorin sieht die Verantwortung dafür auch bei den Bezirksämtern. Hamburg verfüge über ein Gesetz zum Schutz von Wohnraum. "Für die Umsetzung sind die Bezirksämter zuständig. Sie haben mit dem Wohnraumschutzgesetz ein geeignetes Instrument an der Hand, um Mindestanforderungen im Interesse der Mieterinnen und Mieter durchzusetzen und zu gewährleisten", sagte Blankau.
Es klingt so einfach. Doch der Wohnraumschutz ist alles andere als eine einfache Sache. Denn in allen Hamburger Bezirksämtern zusammen sind gerade mal zwölf Mitarbeiter für den Wohnraumschutz zuständig. Zwölf Mitarbeiter für rund 700 000 Hamburger Mietwohnungen. Im Bezirksamt Mitte mit Wilhelmsburg sind es zwei, im Bezirksamt Wandsbek mit Steilshoop nur einer. "Das sind viel zu wenig", kritisierte Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern. Allein in Steilshoop sind 2100 Gagfah-Wohnungen. "Die Mitarbeiter stehen unter Druck zu sagen: Wir halten uns den Ärger vom Hals. In den vergangenen Jahren haben wir festgestellt, dass die Bezirksämter dazu neigten, den Mietern die Schuld am Schimmel zu geben, weil sie angeblich falsch lüfteten oder heizten", sagte Sonnemann.
Die Bezirksämter widersprechen. Sie seien nach Beschwerden immer tätig geworden und hätten die Gagfah zur Beseitigung der Schäden aufgefordert. "Wir haben jeden betroffenen Mieter, der uns über die Medien bekannt wurde, angeschrieben", sagte ein Sprecher des zuständigen Bezirksamts Wandsbek. Das Amt gehe allen Hinweisen nach und biete Unterstützung an. "Für Aktivitäten, die darüber hinausgehen, fehlen uns die Mitarbeiter", sagte Bezirksamtsleiterin Cornelia Schroeder-Piller (CDU) dem Abendblatt. "Auf Grund der Bedeutung des Themas ist aus unserer Sicht auch der Senat gefragt. Wir werden gern gemeinsam mit ihm an einer Lösung arbeiten." Dass es wenige Mitarbeiter für den Wohnraumschutz gibt, findet auch Markus Schreiber. "Ich hätte gerne mehr." Blankaus Behörde habe sich bislang jedoch nicht für zusätzliches Geld eingesetzt.