Krebs im Endstadium lautete die Diagnose. Doch Marie Niemeyer entschied sich zu kämpfen
"Auf dem Einweisungszettel vom Onkologen ins Krankenhaus stand 'Austherapiert'", sagt Marie Niemeyer. Daran erinnert sie sich sehr genau. Im November 2009 bekam die Lübeckerin die Diagnose Bronchialkarzinom im Endstadium, also Lungenkrebs. "Die Ärzte sagten mir, der Krebs sei nicht operabel, und eine Strahlentherapie käme für mich ebenfalls nicht infrage. Die einzige lebensverlängernde Möglichkeit sei eine Chemotherapie - und ich solle meine Angelegenheiten schon mal regeln."
Die Krebsdiagnose war ein gewaltiger Schock für die alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Ihre Schwester, eine Ärztin, wusste am besten, was Marie Niemeyer nun alles bevorstehen werde. Tatsächlich rechnete die gesamte Familie damit, dass sie ihre Krankheit kein weiteres Jahr mehr überleben würde. "Aber ich bin eine Kämpferin", sagt Marie Niemeyer, "und dachte, da muss es doch noch mehr geben."
Sie unterzog sich zunächst einer ambulanten Chemotherapie, litt unter höllischen Knochenschmerzen, doch sie informierte sich weiter. Irgendwann hörte sie, dass es am Asklepios-Westklinikum Hamburg in Rissen eine Station gibt, wo Patienten mit anthroposophischen Heilmethoden behandelt werden. Sie entschloss sich, sich dort einweisen zu lassen, zum ersten Mal im März 2010. "Ich hatte das Gefühl, hier haben die Ärzte und das Team weniger Angst, mit dem Thema Endlichkeit umzugehen. An der Uniklinik habe ich da oft nur Unsicherheit erlebt. Existenzielle Fragen wie die nach einem Leben nach dem Tod oder der nach der Zukunft der Kinder wurden tabuisiert.
Zu Marie Niemeyers Therapieprogramm gehörte unter anderem die Kunsttherapie. "Eigentlich dachte ich, ich könnte gar nicht malen. Am Anfang konnte ich gar kein großes Blatt füllen, ich konnte gar nicht mehr das 'Große, Ganze' darstellen - so wie es in meinem Leben auch untergegangen war." Denn um sich und ihre Kinder über Wasser zu halten, hatte sie gleich drei Jobs nebeneinander gehabt. Sie war immer im Galopp gewesen.
Zur Behandlung ihrer Schmerzen erhielt sie neben klassischen Medikamenten auch das anthroposophische Mittel Naja compositum, das auf Schlangengiften basiert. Sie arbeitete mit den Therapeuten auf, wie es möglicherweise zu der Krebserkrankung kommen konnte, wie es ihr all die Jahre zuvor ergangen war. Bei einer akuten Verschlechterung ihres Zustands kam sie im Verlauf des Jahres für jeweils acht bis zehn Tage in die Klinik - bis heute.
Als besonders wertvoll empfindet sie die Misteltherapie. Sie ist der Überzeugung, dass sie dadurch eine große Zeitspanne Leben gewonnen hat. "Vor allem durch dieses Medikament konnte ich mich psychisch stabilisieren", sagt sie. Allein unter schulmedizinischer Behandlung habe sie ein Leben als Krebspatientin führen müssen, das nur noch qualvoll für sie gewesen sei.
Doch Marie Niemeyers Tumor wächst, und die 54-Jährige weiß das ganz genau. Es hat ihr auch niemand versprochen, dass sie durch die anthroposophisch orientierte Medizin geheilt werden kann. Aber sie ist überzeugt, den richtigen Weg zu gehen, wenn sie deren Heilmethoden zusätzlich zur klassischen Schulmedizin in Anspruch nimmt. "Ich bin zwar gebrechlicher durch meinen Krebs geworden, aber ich fühle mich nicht so hilflos und körperlich besser."