Rüdiger Kruse wohnt privat in einer Immobilie der Wirtschaftsbehörde. Der GAL-Fraktionschef in Eimsbüttel spricht von einem “Skandal“.
Hamburg. Frei stehendes Einzelhaus mitten im Grünen. 290 Quadratmeter, Mietpreis: 932,09 Euro. Das ergibt einen Quadratmeterpreis von 3,21 Euro - der Vermieter, die Freie und Hansestadt Hamburg, hat es offensichtlich nicht auf Gewinnmaximierung abgesehen. Schließlich ist der Mieter ein gemeinnütziger Naturschutzverband, der jährlich Tausenden Kindern die Umwelt näherbringt.
Im Fall des schmucken Forsthauses im Niendorfer Gehege, das die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) so günstig von der Wirtschaftsbehörde gemietet hat, gibt es jedoch einen Haken. Denn die etwa 100 Quadratmeter große Wohnung im Obergeschoss hat die SDW an ihren Geschäftsführer Rüdiger Kruse untervermietet. Und der sitzt für die CDU im Bundestag. Dort erhält er 7668 Euro - zusätzlich zu seinem Geschäftsführereinkommen, dessen Höhe mindestens 7000 Euro monatlich beträgt. So steht es auf der Internetseite des Bundestags, wo die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte angeben müssen.
Wie viel Kruse als Untermieter zahlt, das wollen weder er noch die Schutzgemeinschaft sagen. Für Aufregung sorgt die Sache trotzdem. "Das ist ein Skandal", sagt Roland Seidlitz, GAL-Fraktionschef in Eimsbüttel. "Die Miete für Kruses Wohnung dürfte bei der exklusiven Lage deutlich zu billig sein." Es handele sich um ein krasses Missverhältnis. Das sieht die SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Monika Schaal ähnlich: "Das ist ein Freundschaftspreis, der nicht gerechtfertigt ist."
Auch der Immobilienverband IVD hält den Quadratmeterpreis von 3,21 Euro für außergewöhnlich. "Schon für eine Durchschnittswohnung in guter Lage bezahlt man in Hamburg nicht unter zehn Euro netto kalt pro Quadratmeter", sagt IVD-Sprecher Peter-Georg Wagner. Für ein frei stehendes Einfamilienhaus mit Blick ins Grüne müsste mit mehr als zehn Euro gerechnet werden. "Für 3,21 Euro pro Quadratmeter ist es selbst am Stadtrand unmöglich, Wohnraum zu mieten."
Hamburgs Nabu-Vorsitzender Alexander Porschke hielte die niedrige Miete für angemessen, wenn es der gemeinnützigen Arbeit des SDW dienen würde. "Eine Privatperson sollte davon jedoch nicht profitieren." Dieser Ansicht ist auch Lucian Neitzel von der Bürgerinitiative "Hände weg vom Niendorfer Gehege", die mit einem Bürgerbegehren den Bau des "Hauses des Waldes" am Rande des Geheges verhindert hatte. "Herr Kruse ist von der Wirtschaftsbehörde in unverantwortlicher Weise bevorzugt worden, indem ihm gestattet worden ist, dort zu wohnen", sagt er. "Das hätte gar nicht erst erlaubt werden dürfen."
Dass der Politiker seit etwa zehn Jahren in dem hübschen Forsthaus lebt, sorgt seit Jahren für Streit. Zuletzt hatte der Hauptausschuss der Bezirksversammlung im Februar mit den Stimmen von SPD, GAL und der Linken die Wirtschaftsbehörde aufgefordert, das Mietverhältnis mit der SDW zu kündigen. Begründung: Der Revierförster soll dort einziehen. "Die Behörde muss jetzt handeln", sagt Roland Seidlitz (GAL). "Der Förster gehört in den Wald und nicht Herr Kruse." Ähnlich argumentiert der SPD-Bezirksabgeordnete Marc Schemmel: "Dass der Förster nicht in seinem Wald lebt, ist wohl einmalig in Deutschland."
Eine Kündigung hat die SDW bislang nicht erhalten. Und ausziehen will sie auch nicht. "Für uns ist das der ideale Standort", sagt Jan Muntendorf vom SDW. "Ich verstehe die Aufregung auch nicht: Der Förster wohnt doch direkt am Niendorfer Gehege." Herr Kruse werde zwar ausziehen, aber die Wohnung wolle die SDW nutzen, um die umweltpädagogische Arbeit zu erweitern.
Rüdiger Kruse kündigt seinen Auszug allerdings schon seit Jahren an. Aber passiert ist bislang nichts. Zuletzt hatte er angegeben, im Sommer die Wohnung räumen zu wollen. Aber vielleicht wird es sich auch noch länger hinziehen. Persönlich äußerte sich der Politiker gegenüber dem Abendblatt nicht, stattdessen beantwortete Jan Muntendorf die Frage, wann Kruse das Forsthaus verlässt. "Herr Kruse wird noch in diesem Jahr ausziehen." Zurzeit schaue er sich Objekte an. In ähnlicher Preislage wie jetzt dürfte es eine lange Suche werden.