Ehrgeizige Baupläne des Senats stoßen auf Widerstand in den eigenen Reihen
Altona. Das ehrgeizige Wohnungsbauprogramm des neuen SPD-Senats hat jetzt im Bezirk Altona einen ersten kleinem Dämpfer erhalten. Der Hauptausschuss der Altonaer Bezirksversammlung stimmte mit großer Mehrheit dafür, das sogenannte Hundertwasser-Café an der Behringstraße im Stadtteil Ottensen zu erhalten. Mehr noch: Auch die Veranstaltungshalle hinter der nach Plänen des verstorbenen Künstlers Friedensreich Hundertwasser gestalteten Gaststätte soll dem Beschluss zufolge nicht wie geplant abgerissen werden. Damit verhindert der Bezirk die Pläne des Bonner Unternehmens Wohnbau GmbH, das dort rund 70 Wohnungen errichten wollte. Ohne Abriss des Cafés könnten nur etwa 30 Wohnungen entstehen.
Von dem Votum der Bezirkspolitiker sind damit zwar nur 40 Einheiten betroffen, doch der Streit könnte einen Vorgeschmack auf künftige Konflikte zwischen Senat und Bezirkspolitik in Hamburg bieten. Zumal sich der heutige Staatsrat in der Stadtentwicklungsbehörde, Michael Sachs, in seiner früheren Funktion als Wohnungsbaukoordinator deutlich für einen Abriss ausgesprochen hatte. Etwas diplomatischer klingt jetzt seine Stellungnahme: "Mit dem Beschluss wird der Bau von Wohnungen behindert, die genau an dieser Stelle besonders wünschenswert wären", so Sachs (SPD) zum Abendblatt.
Seine Genossen in Altona argumentieren anders, sie stimmten ebenfalls für den Erhalt des Cafés. 40 Wohnungen weniger seien an dieser Stelle zu verschmerzen, sagt SPD-Politiker Wolfgang Kaeser: "Wir müssen hier die Bürgerbeteiligung eben ernst nehmen." Ein Bürgerbegehren für den Erhalt des Cafés war kürzlich erfolgreich zu Ende gebracht worden. Mit einem rund 250 000 Euro teuren Bürgerentscheid wäre es nun zu einer generellen Abstimmung im Bezirk gekommen. Mit der faktischen Übernahme dieses Bürgerprotests durch die Politik hat sich die Abstimmung aber erübrigt. Der Beschluss der Bezirkspolitik geht sogar noch weiter, weil er auch Denkmalschutz für das Café fordert.
Sollte das Denkmalschutzamt dem folgen, werde die Wohnbau GmbH allerdings rechtliche Schritte dagegen unternehmen, hatte das Unternehmen kürzlich angekündigt. Schon zu einem Gespräch mit Bezirkspolitikern und Behördenvertretern Ende Januar hatten die Firmenvertreter einen bekannten Hamburger Baurechtsanwalt mitgebracht. Wie es im Fall des Hundertwasser-Cafés weitergeht, ist daher noch offen. SPD-Politiker Kaeser vermutet allerdings, dass es noch Chance für weitere Verhandlungen gibt. Ob sich der SPD-Senat aber gegen die SPD vor Ort positioniert und das Verfahren dem Bezirk aus der Hand nimmt ("evoziert"), ist aus seiner Sicht offen: "Das kann man sich vorstellen - wäre aber problematisch, weil man sich gegen die Bürgerbeteiligung stellen würde."
Tatsächlich dürfte das Thema Bürgerbeteiligung und Bürgerprotest in Zukunft noch manches Bauprojekt in Hamburg treffen. An etlichen Ecken der Stadt flammt immer wieder Protest auf. In Altona zum Beispiel noch gegen den Abriss der alten Elbtreppenhäuser für einen Neubau. Und auch im Bezirk Wandsbek wehren sich die Bürger gegen den Neubau von rund 165 neuen Gebäuden auf der grünen Wiese, die dort aus ihrer Sicht zu groß geplant sind. Auch dort droht ein Bürgerentscheid, der das Projekt stoppen könnte.
Auf der anderen Seite hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) angesichts des Wohnungsmangels versprochen, die Neubaurate von derzeit knapp 3000 Wohnungen auf 6000 pro Jahr zu steigern. Als eine Art Terminator in dieser Sache gilt der neue Staatsrat Sachs. Wie er sich das vorstellt, hatte er kürzlich in einem Abendblatt-Interview deutlich gemacht: "Wir haben die direkte Demokratie, damit der Bürger vor Ort sagen kann, was er möchte. Aber deswegen hat er nicht per se recht. Wir haben immer noch eine parlamentarische, eine repräsentative Demokratie. Und die muss in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, die den Bürgerinnen und Bürgern manchmal nicht gefallen, aber im gesamtstädtischen Interesse sind."