Beschäftigte der Traditionsdruckerei Broschek sind sauer auf Eigentümer. Stadt bemüht sich nun um eine Qualifizierungsgesellschaft.
Hamburg. Sie fühlen sich verraten und verkauft. "Unsere Jobs sind weg, es gibt keine Hoffnung mehr auf eine Zukunft", fasst ein Mitarbeiter die Stimmung bei der Hamburger Tiefdruckerei Broschek zusammen. Mehr als 20 der 150 Beschäftigten kamen gestern nach ihrer Schicht vor dem Haupttor zusammen. Keiner von ihnen ist weniger als zehn Jahre im Betrieb. Trotz der drohenden Insolvenz wollen sie das Unternehmen aber "ordentlich" abwickeln. "Wir wollen zeigen, dass man sich auf uns verlassen kann", sagt ein anderer. Namen will keiner nennen. Die Druckerei, deren Tradition bis 1808 zurückreicht, steht endgültig vor dem Aus.
Seit Freitag wissen alle noch verbliebenen 150 Mitarbeiter des Unternehmens und die 50 Beschäftigten der Broschek Service GmbH, die die Druck-Erzeugnisse weiterverarbeitet, dass sich kein Käufer für die Unternehmen gefunden hat. Mitte Januar hatte die Muttergesellschaft, die süddeutsche Schlott-Gruppe, einen Insolvenzantrag gestellt. Zwar will der vorläufige Insolvenzverwalter Siegfried Beck noch "bis zur letzten Minute um eine Lösung für die beiden Hamburger Gesellschaften kämpfen". Doch am 1. April soll das Insolvenzverfahren eröffnet werden. Dann gibt es kein Insolvenzausfallgeld für die Mitarbeiter mehr und Beck muss alle Kosten mit den Einnahmen decken. "Wir haben zwar noch Aufträge, aber ob die reichen, um wenigstens noch die nächsten drei Monate zu überbrücken, ist derzeit offen", sagt Betriebsratschef Kai Schliemann dem Abendblatt. Bei zu wenig Arbeit könnte der Insolvenzverwalter schon im April Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken. "Wir sollen jetzt über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandeln, aber es ist wohl kaum mehr Geld da", sagt Schliemann.
Die Druckerei, die 1977 noch mehr als 1000 Mitarbeiter zählte, ist über die Jahre stark geschrumpft. Nach einer Einigung zwischen der Gewerkschaft Ver.di und dem Management sank die Belegschaft zuletzt im Juni 2009 von 300 auf heute noch 150. Um die Jobs trotz hohen Preisdrucks am Markt zu retten, wurde beschlossen, die Arbeitszeit zu kürzen. Die Mitarbeiter verzichteten auf 300 Euro netto im Monat. Eine Tariferhöhung wurde ausgesetzt. Vom Weihnachts- und Urlaubsgeld gab es noch 20 Prozent. Nachdem die Schlott-Gruppe ihren Insolvenzantrag gestellt hatte, sollten die Zuschläge komplett wegfallen. "Alle Mitarbeiter waren dazu bereit. Drei Tage später haben wir erfahren, dass unser bester Druckauftrag für die ,TV Movie' an einen anderen Standort der Firmengruppe verlagert wurde", sagt die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Cornelia Gressmann. "Das war bitter."
Der Betriebsrat habe schon 2009 davor gewarnt, in Hamburg nur noch zwei statt bisher sechs Rotationsmaschinen einzusetzen. Der Vorstandsvorsitzende Bernd Rose habe zugleich versprochen, neue Aufträge in die Hansestadt zu bringen, sagt Schliemann. "Stattdessen gingen sie an andere Standorte. Unser Eindruck ist, dass die norddeutschen Standorte systematisch zerschlagen wurden."
Die Hoffnung der Belegschaft richtet sich nun auf eine Qualifikationsgesellschaft, in der die Mitarbeiter für neue Jobs trainiert oder vermittelt werden sollen. Sie soll mindestens sechs Monate oder sogar bis zu einem Jahr arbeiten. Denn für Drucker stehen die Chancen wegen der Überkapazitäten am Markt schlecht. In Hamburg gibt es neben Broschek keine weitere Tiefdruckerei. Immerhin: "Die Gründung einer Transfergesellschaft hat bei der Wirtschaftsbehörde hohe Priorität", so Susanne Meinecke, Sprecherin von Wirtschaftssenator Frank Horch.
Am frühen Nachmittag meldete sich Horch selbst bei Schliemann und vereinbarte für Donnerstag einen Besuchstermin im Werk.
Die Firma Broschek, die 1948 die ersten Ausgaben des Hamburger Abendblatts noch im Haus des heutigen Ramada-Renaissance-Hotels druckte, hatte Nikolaus Broschek 2002 an die Schlott-Gruppe verkauft. Er erhielt dafür neben Bargeld auch Aktien. "Hintergrund für den Kauf war der hohe Anteil an lukrativen Auslandsaufträgen von mehr als 70 Prozent", so Marco Walz, der Sprecher der Schlott-Grupppe.
Inzwischen hat Broschek keine Verbindung mehr zur Druckerei. Seine letzten acht Prozent der Anteile verkaufte der Unternehmer Ende Januar. Im Jahr 1907 hatte sein Vorfahr Albert Vincent Broschek die 1808 gegründete Druckerei der Tageszeitung "Hamburger Fremdenblatt" mit dem 1828 gegründeten Verlag gekauft. Grund genug für Senator Horch, auch ein Treffen mit Nikolaus Broschek zu vereinbaren.