Bürgermeister Scholz setzt auf eine Fehlervermeidungsstrategie
Eine gute Regierungserklärung erklärt die Politik, sie benennt Probleme, gibt Ziele vor und beschreibt, besonders wichtig, den Weg zu ihrer Erreichung. So gesehen sind die Hamburger nach der ersten Regierungserklärung des neuen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) gestern in der Bürgerschaft nicht wesentlich schlauer.
Zentrales Beispiel Haushalt: Hamburg hat 28 Milliarden Euro Schulden, und es werden täglich mehr. Zwar bekannte sich Scholz zur sogenannten Schuldenbremse ab 2019. Doch wie die Begrenzung der Ausgabensteigerung auf ein Prozent pro Jahr - die Voraussetzung zum Verzicht auf neue Schulden ab Ende des Jahrzehnts - erreicht werden kann, ließ der Bürgermeister vorsichtshalber offen.
Sein Senat und die im Rathaus nunmehr allein regierende SPD wollen massiv in die Kinderbetreuung und den Wohnungsbau investieren. Das ist richtig, nur hat das zur Folge, dass an anderer Stelle gespart werden muss. Wer wie Scholz den Bürgern immer wieder Klarheit und Transparenz verspricht, der hätte sie gestern auf das einstimmen müssen, was er im öffentlichen Haushalt künftig nicht mehr für finanzierbar hält.
So paradox es klingt: Konkret wurde der Bürgermeister vor allem im Allgemeinen. Sein Angebot zu einer "fairen Partnerschaft" über die Parteigrenzen hinweg ist die richtige Geste, zumal aus der absoluten Mehrheit heraus. An der praktischen Umsetzung dieser Ankündigung wird der Bürgermeister zu messen sein. Immerhin: Beim Thema Atomkraft sprach Scholz mit seiner Forderung nach einem dauerhaften Aus für die Meiler Brunsbüttel und Krümmel Klartext.
In diesem Regierungschef steckt viel Helmut Schmidt und wenig vom visionären Willy Brandt, um die beiden so gegensätzlichen SPD-Säulenheiligen zu bemühen. Politik als "pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken" - dieses Motto des Kanzlers aus Hamburg steht auch über der Regierungszeit des nüchternen Altonaers. Scholz' Neigung zur Politik der kleinen Schritte und seine offensichtlich instinktive Abneigung gegen alle marktschreierischen "Leuchtturmprojekte" kann die Stadt vor manch teurem Irrweg bewahren.
Der fast bis zur Ermüdung wiederholte Wahlkampf-Slogan vom "guten Regieren" entpuppt sich in erster Linie als Fehlervermeidungsstrategie. Scholz hat zu erkennen gegeben, dass er ein abwägender Regierungschef sein wird, der viel von Argument und Debatte hält. Das ist, immerhin, kein schlechtes Regierungsprinzip. Begeisterung löst es nicht aus.