Jungarzt Andre Kwiatkowski hat eine Wohnung im Überseequartier der HafenCity gemietet, wo 70 Prozent der Neubauten leer stehen.
HafenCity. Sie heißen Sumatra, Ceylon oder Arabica, die nördlichen Gebäude des neuen Überseequartiers der HafenCity, über denen die Kräne schon seit August 2010 verschwunden sind. Bereits vom Domplatz in der Innenstadt aus sind die hohen Ziegelbauten hinter der Speicherstadt zu erkennen. Sie gruppieren sich um den zentralen Überseeboulevard, an dem internationale Marken und "deutschlandweit noch unbekannte Einzelhandelsformate" Besucher anlocken sollten, wie es in Broschüren und Internet-Auftritten über die "Insel der Glückseligen" heißt.
Doch noch ist davon nicht viel zu sehen, wunderte sich der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Stadtentwicklungsexperte Andy Grote. Zugig und schattig sei es dort, sagt er. Und statt "neuen Einzelhandelsformaten" schlendert der erstaunte Besucher zunächst direkt am Eingang des Boulevards rechts und links an zwei großen, leeren Schaufenstern vorbei, später dann an der Filiale einer Bäckerkette, an einem Handyshop und einer Bank.
Ein Bistro liegt an der anscheinend einzigen besonnten Ecke, es ist auch gut besucht. Doch nur wenige Spaziergänger huschen über die Straße, blicken erstaunt hoch zu den Wohnungsfenstern, die gardinenlos und dunkel erscheinen. Trotz Wohnungsnot in der Stadt - hier herrscht seit vielen Monaten Leerstand, mehr als 250 der rund 360 Wohnungen sind seit Monaten unvermietet, also rund 70 Prozent. "Die Vermarktung ist ein wenig schleppend", sagt auch Andre Kwiatkowski. Der junge Arzt ist erst kürzlich hierhergezogen, in eine der Wohnungen in den unteren Geschossen. 14 Euro Kaltmiete zahlt er dort für den Quadratmeter. "Die alte Wohnung in Winterhude war ähnlich teuer", sagt er und bittet hinein. Eine offene Küche, voll ausgestattet mit weißen Edelmarken, ein kleiner Balkon, großzügige drei Zimmer, Blick auf andere Wohnhäuser. Ein wenig schattig ist es jetzt hier am Nachmittag. Die Wohnungen in den oberen Geschossen liegen jetzt noch in der Sonne. "Die sind aber auch viel teurer und daher wohl kaum vermietet", sagt Kwiatkowski, der seinen Wohnungswechsel aber nicht bereut, wie er sagt. "Das wird schon, das Viertel ist ja auch erst ganz am Anfang."
So viel Optimismus hören die Planer der HafenCity GmbH gerne. Auch die Sprecherin des städtischen Unternehmens, Susanne Bühler, plädiert dafür, Geduld mit dem ersten Abschnitt des Überseequartiers zu haben. Pfingsten sollen neue Promenaden eröffnet werden. Und der südliche Teil des Quartiers sei im Übrigen noch nicht gebaut. Bühler: "Das Überseequartier entfaltet erst sein volles Potenzial, wenn die Verbindung mit dem Wasser hergestellt ist und man über den Überseeboulevard die Elbe erreichen kann."
Tatsächlich ist erst rund ein Drittel des Quartiers fertiggestellt. 350 Millionen Euro investierte die Überseebeteiligungsgesellschaft, ein deutsch-niederländisches Konsortium, dort in eine riesige Tiefgarage und sechs sehr unterschiedlich gestaltete Gebäude. Insgesamt wird das Konsortium eigenen Angaben zufolge etwa eine Milliarde in das Areal investieren, das sich später einmal bis zum Kreuzfahrtterminal an der Elbe hinziehen wird. 2003 hatte der Senat entschieden, dieses zentrale Herzstück der HafenCity komplett an einen Investor zu vergeben. "Und das war der Grundfehler", sagt SPD-Politiker Andy Grote. Besser sei eine Entwicklung "Baufeld für Baufeld", um flexibel auf veränderte Lagen eingehen zu können, sagt der Stadtentwicklungsexperte der nun in Hamburg regierenden Sozialdemokraten. Doch die Stadt hat sich vertraglich eng an die Investoren gebunden. Deutlich wurde dies zuletzt im Sommer vergangenen Jahres: Wegen der nahen Schiffsabgase sind im südlichen Teil des Überseequartiers vor allem Büros geplant.
Doch weil auch viele Büros leer stehen, drohten Banken, die Finanzierung nicht weiter zu tragen. Die Investoren und der damals noch schwarz-grüne Senat handelten ihren Vertrag daher neu aus, verzichteten auf viele Klauseln. Etwa auf konkrete Fertigstellungstermine. Zudem verpflichtete sich die Stadt im südlichen Überseequartier selbst, (teure) Büroräume zu mieten, um das Bauen der Büros quasi zu subventionieren. "Absurd", kritisierte Grote seinerzeit. "Doch nun ist das unterzeichnet und lässt sich nicht mehr ändern."
Wie geht es weiter im Überseequartier? Beim alten Hafenamt, dem letzten Bestandsgebäude des ehemaligen Hafenareals, solle demnächst mit der Sanierung begonnen werden, kündigte die Überseequartier-Beteiligungsgesellschaft an. Geplant ist dort eine Art Markt und Restaurants. Eröffnung soll 2012 sein. Ein Hotel werde bald eröffnen, weitere Läden. "Weit über die Hälfte ist bereits vermietet", sagt Nikolaus Bieber, Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft. Das werde aber erst im Laufe des Frühjahrs sichtbar, wenn der Ausbau beginne.
Susanne Bühler ist zuversichtlich. Auch in der westlichen HafenCity habe es lange geheißen, sie sei leer und steril. "Heute pulsiert dort das Leben. An Wochenenden kommen Besucherströme nur zum Flanieren - so wird es auch im Überseequartier."