Kaum erträgliche Schmerzen, zerstörte Kieferknochen: Der Mediziner soll mindestens 30 Patienten zum Teil schwer geschädigt haben.
Hamburg. Die Patienten berichten von kaum erträglichen Schmerzen, von ausgehöhlten Zähnen, zerstörten Kieferknochen und horrenden Kosten, auf denen sie sitzen bleiben. Ein Hamburger Zahnarzt mit Praxis auf dem Mühlenkamp hat offenbar über Monate, vielleicht Jahre, Patienten grob falsch behandelt und viel zu hohe Kosten abgerechnet. Dr. Matthias T. hat seine Praxis inzwischen aufgegeben. Zahlreiche Patienten haben Strafanzeigen erstattet. Die Gesundheitsbehörde hat ein Verfahren zur Entziehung seiner Zulassung eingeleitet. Auf eine Entschädigung dürfen die Opfer trotz Gutachten, die belegen, dass der Arzt die schweren Schäden verursacht hat, nicht hoffen. Er ist pleite und nach Aussagen seines Anwaltes in psychologischer Behandlung. Die Anwältin der Opfer vermutet, dass es neben den 30 bekannten Opfern weitere Betroffene gibt.
Die Betriebswirtin Catharina R., 29, hatte den Arzt zum ersten Mal am 29. Juni 2009 besucht, weil sie eine kleine Verfärbung am Rande einer Goldfüllung entdeckt hatte. Sie erinnert sich: "Herr T. war ein sehr charismatischer Arzt. Groß, mit dunklen Haaren und Brille. Er sagte immer, viele seiner Kollegen seien ja nur darauf aus, Zähne zu ziehen, um mehr Geld zu verdienen. Er aber sei da anders." Unter den Händen von Dr. T. wurde aus der leichten Verfärbung ein echtes Drama. Er habe eine Entzündung entdeckt, sagte der Arzt. In zwei Zähnen müssten Füllungen erneuert werden. "Routinemäßig" ließ der Arzt sich Formulare unterschreiben, laut denen die Patientin die Behandlungen privat begleiche, sofern die Kasse nicht zahle. Catharina R. dachte sich nichts dabei und unterschrieb. Wieder und wieder besuchte sie in der Folge die Praxis von Dr. Matthias T., weil die Schmerzen in der von ihm behandelten Stelle nicht nachließen. Schließlich riet T. ihr, einen der Zähne ziehen zu lassen, er sei wohl doch nicht mehr zu retten. Nur ungern stimmte R. zu. "Während der Operation sagte der Arzt, dass der Zahn daneben auch mit rausmüsse." Die 29-Jährige, der ein Gutachter später ein "sehr gepflegtes Gebiss" bescheinigte, schildert, was dann passierte: "Dr. T. hat große Teile des Kieferknochens mit herausgebrochen, die Wunde mit Knochenzement befüllt." Die - überflüssige - Operation dauerte Stunden.
Die Tage und Wochen danach waren von schlimmen Schmerzen geprägt. Der Knochenzement bröckelte aus der offenen Wunde. Weil der Arzt die Innenseite der Wange an das Zahnfleisch genäht hatte, konnte die hübsche Frau - sie leitet ein kleines Kosmetikunternehmen - nicht lächeln. Die Korrektur-Operationen haben schon jetzt mehrere Tausend Euro verschlungen, weitere Eingriffe sind nötig. Auch der Winterhuder Student Thomas S. leidet noch heute unter der Behandlung bei T. Dem 31-Jährigen fehlen Teile des Oberkiefers, zwei Zähne sind gezogen - völlig zu Unrecht, wie Gutachter später konstatierten. Für dringend nötige Korrektur-Operationen fehlt dem Studenten und jungen Vater derzeit das Geld. Denn auch die Haftpflichtversicherung des Arztes, die LVM, zahlt bislang kein Geld an die Opfer des Mediziners. "Die Versicherung bestreitet, dass ein gültiger Vertrag bestand", sagt Dr. T.s Anwalt Paul Harneit. "Meinem Mandanten tut das alles sehr leid. Er ist wegen einer manisch-depressiven Erkrankung in Behandlung, finanziell und gesundheitlich am Ende." Dennoch bemühe er sich, den Patienten eine Entschädigung zukommen zu lassen.
Allerdings: Andere Gläubiger stehen Schlange bei Dr. T. Anwältin Ulrike Hundt-Neumann - sie vertritt allein sechs Opfer - sagt, es handele sich hier gewiss nicht um einen Kunstfehler: "Da steckte Strategie dahinter." Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg laufen mehrere Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung und Betrugs. Bei der Zahnärztekammer, die die Fälle an die Behörde gemeldet hatte, heißt es, einen solchen Fall habe es in Hamburg wohl noch nie gegeben. Auch die erfahrene Medizinrechtlerin Hundt-Neumann ist nachhaltig erschüttert: "Der Arzt hat aus Habgier gehandelt. Die Opfer stehen vor einer ausweglosen Situation."