Die Wirkungen des Hamburger Wahlrechts sind ungewiss
Bei flüchtiger Betrachtung können selbst kritische Zeitgenossen auf den Gedanken kommen, dass sechs Tage vor der Hamburger Bürgerschaftswahl schon alles entschieden sei. Die SPD von Spitzenkandidat Olaf Scholz liegt stabil bei 45 Prozent in Umfragen, die CDU von Bürgermeister Christoph Ahlhaus ebenso stabil unter 25 Prozent. Wann hat es eine solche Diskrepanz schon einmal gegeben?
Mindestens zwei Gründe sprechen dagegen, dass das Wahlergebnis im Grunde schon feststeht. Erstens ist die Hälfte der Hamburger noch unentschlossen, wen sie am kommenden Sonntag wählen sollen. Das ist erstklassiges Motivationsmaterial für jeden Wahlkämpfer.
Zweitens sind die Wirkungen des neuen Wahlrechts nicht wirklich abzuschätzen. Die neue Freiheit der zehn Stimmen für die Bürgerschaft (plus zehn für die Bezirksversammlung) kann dazu führen, dass das Kontingent zwischen den Parteien und ihren Kandidaten gesplittet wird. Das ist sogar der Sinn der vielen Stimmen.
Die schlichte Frage nach der Parteienpräferenz, die im Rahmen von Umfragen gestellt wird, kann der neuen Komplexität des Wahlakts nicht gerecht werden. Mit anderen Worten: Das Hamburger Wahlrecht ist für Überraschungen gut. Nichts ist also falscher, als auf das Recht der Stimmenabgabe zu verzichten, weil angeblich nichts mehr zu ändern ist.