Kaum jemand kennt sich mit den Ritualen vor und während Tarifverhandlungen so gut aus wie Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Wenn er abseits seiner Unternehmertätigkeit etwas gelernt hat, dann ist es das Gefeilsche um Lohnprozente, Arbeitszeiten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld. So überrascht es nicht, dass Hundt mit Blick auf die anstehenden Tarifverhandlungen in Leitbranchen wie der Chemieindustrie die Beschäftigten vor überzogenen Erwartungen warnt und von viel zu hohen Forderungen spricht. Selbstverständlich ist wieder einmal der Standort Deutschland in Gefahr. Wie immer, wenn Tarifrunden beginnen und Gewerkschaften mehr Lohn verlangen.
Dabei weiß Hundt sehr gut, dass zwischen Forderungen und Abschlüssen am Ende viele Prozentpunkte liegen. Zudem sollte er die vergangenen Jahre, in denen die Beschäftigten auf steigende Reallöhne verzichtet haben, nicht ausblenden. Es ist an der Zeit, dass die Arbeitnehmer nun in angemessener Form am aktuellen Aufschwung beteiligt werden. Dabei kann man über die genaue Ausgestaltung trefflich streiten. Die Gewerkschaften wünschen sich vor allem hohe Lohnprozente, die in den Tariftabellen erscheinen, und den Beschäftigten langfristig erhalten bleiben. Die Arbeitgeber plädieren für Einmalzahlungen und Gewinnbeteiligungen.
Eine Mischung aus beiden Forderungen ist der Königsweg. Ein ordentliches Plus bei den Lohnprozenten gibt den Beschäftigten finanzielle Sicherheit für die Zukunft, steigert ihre Konsumlust. Eine Beteiligung am Gewinn stärkt die Identifikation mit dem eigenen Betrieb und fördert die Motivation zu neuen Topleistungen.