Der zu Sicherungsverwahrung verurteilte Serienbetrüger war erst im Oktober geflüchtet. Nun profitiert er von der Entscheidung eines EU-Gerichts
Fuhlsbüttel. Das Gericht, das ihn 2006 zu sechs Jahren Haft und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte, sah eine stark erhöhte Rückfallgefahr bei dem Serienbetrüger, Hehler und Urkundenfälscher Peter "Mike" Wappler. Der schon damals als "Milliarden-Mike" bekannte Lebemann galt als notorischer, wenn nicht gar hoffnungsloser Fall. Spätestens im Juli 2011 hat Wappler Gelegenheit, die Richter eines Besseren zu belehren. Denn der Mann, der mehr als 15 Jahre seines Lebens hinter Gittern verbrachte, muss nach einer Rüge des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und einem daraus resultierenden Bundestagsbeschluss in die Freiheit entlassen werden. Straftäter, die wegen Betrugs oder anderer einfacher Kapitaldelikte zu Sicherungsverwahrung verurteilt worden waren, dürfen demnach nicht weiter eingesperrt bleiben. Sicherungsverwahrung kann zukünftig nur noch nach Delikten gegen Gesundheit und Leben der Opfer verhängt werden. Peter "Mike" Wappler wird nicht der einzige Betrüger bleiben, der nach dem aktuellen Bundestagsbeschluss aus der Haft entlassen werden muss.
"Auf unbestimmte Zeit eingesperrt zu bleiben war keine Option für mich", hatte Wappler noch im November 2010 gesagt. Kurz zuvor war er geflohen. Am 15. Oktober hatte er einen bewachten Ausgang zu seiner Halbschwester genutzt, um das Weite zu suchen. Wappler setzte sich ab an die Algarve, mietete sich einen Bungalow mit Meerblick. Das war seine Reaktion auf einen Beschluss der für ihn zuständigen Hamburger Strafvollstreckungskammer. Die hatte eine Aussetzung seiner Sicherungsverwahrung zur Bewährung unumstößlich abgelehnt. Telefonisch ließ Wappler aus Portugal wissen, dass er gerne nach Hamburg zurückkehre - wenn die Hansestadt seine Sicherungsverwahrung fallen lasse. Ein Ansinnen, das natürlich abgelehnt wurde. Doch das am 1. Januar in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung spielte ihm in die Karten. "Eine für den Häftling günstige Entwicklung", wie Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn sagt. Müller-Horn: "Das Gesetz sieht vor, dass die Sicherungsverwahrung nach alter Rechtslage am 1. Juli enden muss." Gänzlich ohne Aufsicht wird "Milliarden-Mike" jedoch nicht sein. Voraussichtlich im Februar oder Anfang März wird die Strafvollstreckungskammer neben dem Entlassungsdatum auch über die Art der Führungsaufsicht entscheiden, die Wappler an die Seite gestellt wird. Ebenfalls wird zu beschließen sein, ob - und wenn ja - welche Maßnahmen für Wappler ausgesprochen werden. Denkbar ist laut Gerichtssprecher Müller-Horn, dass ihm verboten wird, bestimmte Geschäfte zu tätigen oder mit seinen damaligen Opfern Kontakt aufzunehmen. Wappler leidet nach einem psychiatrischen Gutachten unter einer Persönlichkeitsstörung, die zu einem extrem dissozialen Verhalten und einem großen Selbstwertproblem führt. Die Staatsanwaltschaft Lübeck (dort war das bislang letzte Urteil gegen Wappler gesprochen worden) erarbeitet auf Geheiß der Hamburger Strafvollstreckungskammer Vorschläge zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht für Wappler.
Der Fall, der zu der Verhängung der Sicherungsverwahrung geführt hatte, war spektakulär: Wappler hatte einen schwerreichen Unternehmer mit einem angeblichen Diamantengeschäft über den Tisch gezogen. Drei Millionen Euro habe er dem Mann abgenommen, prahlte Wappler später. Nach eigenen Angaben muss sich der ehemalige Leiter einer Model-Agentur und Boxpromoter ohnehin um Finanzielles keine Sorgen machen. Geld habe er genug, ließ Wappler jüngst den "Spiegel" wissen. Ideen, an monetären Nachschub heranzukommen, offenbar auch. Nach seiner Entlassung will der 54-Jährige, der in der Vergangenheit auch schon mal ankündigte, den FC St. Pauli kaufen zu wollen, als Boxpromoter in Dubai einen Namen machen.