In der Kaukasuspolitik fehlt es dem Kreml an Perspektiven.
An markigen Worten und martialischen Gesten hat es im Kreml nicht gemangelt, wenn es galt, den Tschetschenienkrieg für beendet und den Nordkaukasus für befriedet zu erklären. Bilder renovierter Hauptstraßen in Grosny wurden gern gezeigt und örtliche Regierende zum Erfolgsrapport nach Moskau gebeten.
Die tatsächliche Lage ist eine andere. In Grosny regiert mit Ramsan Kadyrow ein Mann, der außerhalb Russlands alle Kriterien eines Großkriminellen erfüllt, der eine Terrorherrschaft installiert hat und illegal private Steuern kassiert. Moskau lässt ihn gewähren, weil er zumindest offiziell dem Separatismus abschwört und islamistische Terroristen kurzhält. Die wiederum haben mittlerweile die bis vor wenigen Jahren noch halbwegs friedliche Nachbarrepublik Inguschetien unterwandert, verüben wie eh und je in Dagestan oder Nordossetien Anschläge und denken nicht daran, den Kampf gegen Russland einzustellen. Und immer wieder ist auch Moskau Ziel der Terroristen aus dem Süden. Vor allem die Verkehrsmittel und Flughäfen der Metropole sind ein Ziel - notorisch mit Reisenden überfüllt und schwer zu schützen.
An dieser fürchterlichen Situation wird sich nichts ändern, solange den Regierenden im Kreml nicht viel mehr einfällt, als mit Gewalt und eiserner Hand im Kaukasus regieren zu wollen. Die Methode hat ihre Grenzen, weil sie Terroristen nicht schreckt. Und dank ausufernder Korruption sowie nach wie vor vorhandenen behördlichen Schlendrians kommt sie ohnehin nicht zur vollen Entfaltung. Die Republiken im Nordkaukasus sind mittlerweile zum Armenhaus der russischen Föderation verkommen. Neben dem Terrorismus blüht auch die ganz normale Kriminalität - und mangels hinreichender anderer Berufsperspektiven gibt es keinen Nachwuchsmangel.
Die Region ist wegen ihrer strategischen Lage und ihres Öl- und Gasreichtums für Russland nicht verzichtbar. Um sie auf Dauer unter Kontrolle zu bekommen, den Bewohnern endlich ein sicheres und menschenwürdigeres Leben zu bescheren und die Terrorgefahr im Rest des Landes zu minimieren, ist mehr politische Fantasie erforderlich, als sie bisher die Präsidenten Jelzin, Putin und Medwedew aufzubringen in der Lage waren. Anzeichen für eine neue Kaukasuspolitik sind aber bisher nicht zu erkennen. So wird es auch diesmal bei der Verhaftung der üblichen Verdächtigen, drakonischen Strafen und martialischen Reden bleiben.