Wie geht man damit um, wenn der Partner sein Gedächtnis verliert? Angelika Wegner* erzählt
Karl Wegner, 79, liebt Detailarbeit. In seinem Arbeitszimmer stehen mehrere Modellschiffe, die er Stück für Stück selbst zusammengebaut hat. "Das hat ihm in der Freizeit immer großen Spaß gemacht", sagt die Ehefrau des ehemaligen Studiendirektors, Angelika Wegner, 69. Ein Schiff der Kolumbusflotte steht auf dem Fenstersims, neben dem Schreibtisch das berühmte Segelschiff "Mayflower", daneben ein Modell der "Adler von Lübeck". Karl Wegner fing in den letzten Wochen damit an, ein weiteres Schiff zusammenzubauen. "Es war zur Hälfte fertig, dann stand es nur noch unangetastet herum", erklärt die Ehefrau. Dieser Stillstand ist eines der Symptome der Krankheit, unter der Karl Wegner leidet: der Demenz. Das halb fertige Modellschiff stellte Frau Wegner auf den Dachboden, um es aus dem Blick zu haben. Vor der Erkrankung ihres Mannes aber verschließt sie keinesfalls die Augen. Sie unterstützt ihn, wo sie kann.
Vor sechs Jahren begann das Gedächtnis von Karl Wegner zunehmend schlechter zu werden. "Beim alljährlichen Skilaufen wunderte es mich, dass Karl, der früher immer vorwegbretterte, auf einmal hinter mir fuhr", erinnert sich die 69-Jährige. Kurz darauf stellte ein Arzt die Alzheimer-Diagnose, die Angelika Wegner "den Teppich unter den Füßen wegzog", wie sie sagt. In ihr wuchs aber auch der Wille, das Beste aus der Situation zu machen.
"Karls Charakter veränderte sich. Früher war er sehr auf Contenance aus, eher zurückhaltend", beobachtet Angelika Wegner. Heute sei er unbedachter, spreche aus dem Blauen heraus Menschen an, sei gewissermaßen kontaktfreudiger, aber nicht indiskret. Die gemeinsamen Reisen, die das Ehepaar regelmäßig unternahm, sind passé. "Fremdes und Ungewohntes verunsichert ihn." Auch das wöchentliche Tennisduell fällt weg, da Ärzte bei Karl Wegner eine Herzschwäche diagnostizierten. Nun fragt er seine Frau jeden Sonntagabend: "Warum spielen wir nicht. Kannst du nicht spielen?"
Angelika Wegner strukturiert den Tagesablauf, erinnert ihn ans Zähneputzen, übernimmt die Verantwortung. "Das klappt nicht immer reibungslos. Wenn wir zum Beispiel sein Portemonnaie nicht finden können, müssen wir rekonstruieren, welche Hosen er zuletzt getragen hat." Angelika Wegner stellt sich auf ihn ein: "Wir haben geplant, die Marc-Chagall-Ausstellung anzuschauen. Ich werde zweimal gehen, mit meinem Mann und alleine."
Eben daraus zieht Angelika Wegner die Kraft, ihrem Mann beizustehen: Sie achtet darauf, dass auch sie auf ihre Kosten kommt. Motivation schöpft sie außerdem aus einer Angehörigengruppe, in der sie sich mit Gleichgesinnten austauscht und auch juristische Ratschläge bekommt. "Meinem Mann kann es nur so gut gehen, wie es mir gut geht", lautet ihr Grundsatz. Heute hat sie gelernt, mit den Tiefpunkten und kleinen Höhepunkten umzugehen. "Neulich stand mein Mann im Garten und sagte: ,Schau doch mal! Wie schön die Eichen sind!'" Das hätte er früher nie gesagt, lächelt Angelika Wegner. Sie genießt jeden Tag, den beide zusammen verbringen dürfen. Sie habe gelernt, auch Kleinigkeiten wertzuschätzen.
*Namen geändert