Nach dem Abgang von Frank Horch sucht die Handelskammer einen neuen Präses. Mehrere Namen sind im Gespräch - die Abendblatt-Analyse.
Hamburg. Als Frank Horch im Mai 2008 zum Präses der Handelskammer gewählt wurde, drängten sich nicht gerade viele Manager und Unternehmer um das wichtigste Ehrenamt in der Hamburger Wirtschaft. Kein Mitglied im Präsidium wollte den zeitintensiven Job mit unzähligen Abendterminen und anderen Verpflichtungen machen. Und auch außerhalb der Kammer gestaltete sich die Suche kompliziert. Mit dem damaligen Chef des Industrieverbandes, Frank Horch, gelang der Kammer im Nachhinein - wie Präsidiumsmitglieder heute sagen - ein Glücksgriff. Doch nach Horchs überraschendem Wechsel in die Politik als Schattensenator des Hamburger SPD-Spitzenkandidaten Olaf Scholz muss sich die Handelskammer nun erneut auf die Suche nach einem Präses begeben.
Diesmal ist die Auswahl für einen Nachfolger, der am 5. Mai vom Plenum der Kammer gewählt wird, aber offensichtlich einfacher als vor rund drei Jahren. Sowohl im Präsidium gibt es Mitglieder, die sich den Posten des Präses zutrauen. Und auch außerhalb der Kammer finden sich Interessenten. In den kommenden Wochen wird Übergangspräses Karl-Joachim Dreyer zunächst Einzelgespräche mit Mitgliedern des Präsidiums führen, bevor er sich eventuell auch anderweitig umschaut. Das Abendblatt hat sich innerhalb des Präsidiums und der Kammer umgehört und analysiert die Chancen möglicher Kandidaten.
Michael Behrendt, Chef der Reederei Hapag-Lloyd: Er sitzt im Kammerpräsidium und sein Name wird von vielen Managern in der Stadt als Nachfolger für Frank Horch ins Spiel gebracht. Behrendts Trumpf: Er ist auch über Hamburgs Grenzen hinaus ein bekannter Manager. Allerdings ist Behrendt bei Hapag-Lloyd derzeit beruflich voll gefordert. Teile des Unternehmens könnten noch in der ersten Jahreshälfte 2011 an die Börse gebracht werden, zudem sucht die Reederei einen strategischen Investor. Vom Namen her wäre Behrendt sicherlich erste Wahl. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass er sich zusätzlich zu seiner aktuellen Arbeitsbelastung die vielen Termine eines Präses aufhalst, dürfte sehr gering sein. Behrendt käme nur infrage, wenn die Präsesarbeit komplett neu organisiert würde - ein schwieriges Unterfangen.
Thomas M. Schünemann, Chef der Hamburger Software GmbH: Der 60-Jährige, der ein Unternehmen mit insgesamt 180 Beschäftigten und rund zwölf Millionen Euro Jahresumsatz lenkt, ist nach Abendblatt-Informationen nicht abgeneigt, den Präsesposten zu übernehmen. Auch Schünemann sitzt wie Behrendt im Präsidium der Kammer. Sein Vorteil gegenüber dem Hapag-Lloyd-Chef: Er könnte den Präsesjob wohl zeitlich stemmen. Mit Geschäftspartner Walter Ullmer hat er bereits vor Jahren die Weichen so gestellt, dass seine Firma auch in Zukunft, wenn die beiden Chefs sich möglicherweise aus Altersgründen zurückziehen müssen, weiter bestehen bleibt. In der Geschäftsführung befinden sich inzwischen auch familienfremde Manager. Schünemann konnte bislang vom Interimspräses Dreyer nicht angesprochen werden. Denn der Hobbyrennfahrer nimmt derzeit wie schon in früheren Jahren an der Rallye Dakar teil, die 2011 in Südamerika stattfindet.
Fritz Horst Melsheimer, Chef der HanseMerkur: Der 60-Jährige leitet den einzigen konzernunabhängigen Versicherer mit Sitz in Hamburg seit 2002. Mit der Hamburger Unternehmenslandschaft ist Melsheimer seit langer Zeit vertraut: Vor seinem Wechsel zu HanseMerkur war er für die Albingia und die Hamburg-Mannheimer tätig. Darüber hinaus hat er als Vorsitzender des Handelskammer-Arbeitskreises Gesundheitswirtschaft und vor allem als Vorsitzender der Initiative Finanzplatz Hamburg bereits Verantwortung für die Wirtschaft der Hansestadt übernommen.
Nach Informationen des Abendblatts strebt Melsheimer zwar nicht aktiv nach dem Amt des Präses, zumal er die HanseMerkur durch seine Arbeit in den vergangenen Jahren stark geprägt hat und er nach einer Wahl an die Handelskammer-Spitze seine Rolle im Unternehmen nicht mehr in der gewohnten Weise spielen könnte. Er stünde aber grundsätzlich dafür bereit, sollte ihm das Ehrenamt angetragen werden.
Jens Peter Breitengroß, Chef der Beratungsfirma Kappa: Als Kandidat für den Präses sieht er sich nur, "wenn Not am Mann ist und andere nicht antreten können". Aber das Amt traut er sich durchaus zu. Lieber würde der promovierte Naturwissenschaftler, der ebenfalls im Kammerpräsidium sitzt, jedoch den neuen Präses mit seinen internationalen Kontakten unterstützen, die er sich über Jahrzehnte aufgebaut hat. "Für einen guten Kandidaten halte ich da unter anderem Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt", sagt Breitengroß. "Er hat die Reederei aus der Krise geführt." Der 67-jährige Breitengroß stand mehr als 20 Jahre lang als Geschäftsführer und Hauptgesellschafter an der Spitze der Jos. Hansen & Soehne, die in Afrika und Asien Wasserwerke, Textilfabriken und Brauereien baute oder auch Labore für Universitäten einrichtete. Nach dem Verkauf der Firma berät er mittlerweile über seine Firma Kappa International Konzerne bei Projekten in Afrika, Asien, Osteuropa und in Arabien.
Nach neun Jahren im Handelskammerpräsidium sollte der Vorsitzende des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft und Honorarkonsul von Kenia im Mai mit Karl-Joachim Dreyer ausscheiden. Für die Wahl zum Plenum der Kammer hat der Hamburger sich daher nicht aufstellen lassen. "Ich wäre aber nun bereit, mich in das Plenum berufen zu lassen und nach der Wahl wieder ins Präsidium zu gehen", sagt Breitengroß.
Andreas Bartmann, Gesellschafter beim Outdoorspezialisten Globetrotter: Vom Alter her wäre er ein idealer Kandidat für den Posten des Präses. Mit seinen 51 Jahren könnte der Unternehmer zu einer Verjüngungskur bei den Funktionsträgern der Kammer beitragen. Doch Bartmann kann nach eigenen Worten noch nicht die notwendige Zeit für das Ehrenamt aufbringen. "Unser Unternehmen steht vor der größten Expansionsphase seiner Geschichte", begründet der Unternehmer seine Zurückhaltung. Mit 230 Millionen Euro Jahresumsatz ist Globetrotter bereits europäischer Marktführer der Branche. Reiner Brüggestrat, Chef der Hamburger Volksbank: Neben den Mitgliedern des Kammerpräsidiums nannten Kreise aus der Wirtschaft auch den 54-Jährigen als Wunschkandidaten. Brüggestrat könnte bei der Wahl am 5. Mai ins Präsidium der Kammer aufrücken und von diesem schließlich zum Präses gewählt werden. Ein Präsidiumsplatz scheint für den Banker nicht ausgeschlossen, da das jetzige Präsidiumsmitglied Breitengroß satzungsgemäß ausscheiden soll. Doch Brüggestrat wollte sich bislang nicht zu seinen Ambitionen für das Ehrenamt in der Öffentlichkeit äußern.
Der in Bochum geborene Manager, der jüngst über ein Rekordjahr für die Volksbank berichtete, ist zwar erst seit 2000 in Hamburg. Er hat sich in dieser Zeit jedoch durch sein Engagement für den Mittelstand und seine Bereitschaft, mit klaren Worten zu den Entwicklungen in der deutschen Bankenlandschaft Stellung zu nehmen, einen Namen gemacht.