Mit dem Kandidaten aus der Kammer gelingt Scholz ein Coup.
Olaf Scholz hat mit einer Personalie den politischen Gegner geschockt und die Wirtschaft begeistert: Frank Horch, bis Mittwoch Handelskammer-Präses, ist seit gestern der erste Kandidat für das Amt des Wirtschaftssenators - wohlgemerkt für die SPD. Damit trifft Scholz die Union ins Mark. Immerhin wollte Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) den Manager Horch im Sommer selbst in den Senat holen, scheiterte aber.
Nun punktet ausgerechnet sein SPD-Herausforderer mit dem Mann der Wirtschaft. Zuletzt hatte Scholz keine Gelegenheit ausgelassen, den schwarz-grünen Senat als den "wirtschaftsfeindlichsten seit 1946" zu kritisieren. Erst zog er mit seinem Bekenntnis zur Elbvertiefung und Finanzzusagen den Hafen auf seine Seite, nun soll mit dem Kandidaten aus der Kammer der Mittelstand folgen. Scholz' Strategie fußt auf zwei Vorbildern: Das eine ist sein Förderer Gerhard Schröder, der mit dem Slogan "Neue Mitte" 1998 erfolgreich CDU- und FDP-Wähler warb. Das Gesicht zum Aufbruch aus dem Parteimief gab der Internet-Unternehmer Jost Stollmann als Wirtschaftsminister im Schattenkabinett, der später entnervt aufgab. Das zweite Vorbild: In ihren besten Jahren galt die SPD zuvörderst als Hamburg-Partei, erst dann als sozialdemokratisch. Sie bot kleinen Leuten wie Großbürgern, Blankenesern wie Billstedtern eine politische Heimat. Die Partei mochte links denken, die Bürgermeister integrierten bis weit ins bürgerliche Lager hinein. Mit dem Vernachlässigen dieses Erbes begann der Niedergang der Hamburger Sozialdemokratie.
Scholz will diese Hamburg-Partei wieder erwecken - und strebt nach der absoluten Mehrheit. Mit seinem kategorischen Nein zur Stadtbahn und dem Horch-Coup hat er die GAL tief verstört. Bald dürfte sie sich nach Schwarz-Grün zurücksehnen. Die CDU, die nach der Einbindung ihres schärfsten Gegners Walter Scheuerl Morgenluft gewittert hatte, wirkte gestern wie paralysiert. Derweil schießt sich die Linkspartei mit seltsamen Kommunismus-Debatten selbst ins parlamentarische Aus. In dieser Gemengelage können am Ende rund 45 Prozent der Stimmen für die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft reichen - nach einer Umfrage des NDR liegt die SPD derzeit bei 43 Prozent. Sollte die FDP ins Parlament kommen, deutet vieles auf eine sozialliberale Koalition hin.
Und doch birgt die Siegeszuversicht die Saat der Niederlage. Bevor die Hamburger einen neuen Bürgermeister feiern, möchten sie ihn nach guter demokratischer Tradition erst wählen. Zuletzt wirkte der Herausforderer Scholz vielen zu siegessicher, mitunter arrogant. Zudem droht der SPD in den verbleibenden sechs Wochen eine andere Gefahr. Rückt Scholz die SPD zu sehr in die Mitte, öffnet er GAL und Linkspartei die linke Flanke. Hier müsste er dem Kandidaten Horch für die Wirtschaft noch einen linksliberalen Hoffnungsträger für Soziales, Integration oder Kultur folgen lassen. Der Weg aus der Opposition zurück zur Hamburg-Partei dürfte noch weit sein.