Die Hansestadt profitiert laut Studie vom Konzept der Metropolregion. Eine dramatische Entwicklung droht dagegen in Ostdeutschland.
Hamburg. Metropolen wie Hamburg werden die Gewinner des beginnenden Wettbewerbs um Arbeitskräfte sein. Dagegen geraten das "flache Land" und Städte in strukturschwachen Regionen wie etwa Wilhelmshaven oder Schwerin immer stärker ins Hintertreffen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Demnach werden der demografische Wandel und der sich abzeichnende Fachkräftemangel bis zum Jahr 2020 in fast vier von zehn deutschen Kreisen zu Beschäftigungsverlusten führen. Vor allem in Ostdeutschland drohen massive Einbußen.
Dabei gehen die Autoren der Studie davon aus, dass eine Region besonders dann attraktiv für Unternehmen ist, wenn es dort hoch qualifizierte Arbeitskräfte gibt. Dieser künftig besonders heftig umworbene Personenkreis wiederum orientiert sich dorthin, wo viele Firmen ihren Sitz haben, weil dort die Auswahl an möglichen Jobs groß ist: "Dieser Zirkel führt zu sich selbst verstärkenden Prozessen."
Arbeitsplätze für Hochqualifizierte bringen auch einfachere Jobs mit sich
Ein schon vergleichsweise hoher Anteil von gut ausgebildeten Beschäftigten - wie ihn Hamburg vorweisen kann - ist aber noch aus einem anderen Grund bedeutsam: "Technologieunternehmen, Forschungseinrichtungen oder innovative Dienstleister schaffen nicht nur Jobs für Hochqualifizierte, sondern auch für durchschnittlich und gering qualifizierte Erwerbstätige", erklärt PwC-Vorstand Wolfgang Wagner.
Daher dürfte sich die Schere auch im Hinblick auf die Gesamtzahl der Jobs immer weiter öffnen. Davon profitiert auch die Metropolregion Hamburg, die der Studie zufolge bereits in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten überdurchschnittlich viel hoch qualifizierte Beschäftigung anziehen konnte. So wird für die Hansestadt bis zum Jahr 2020 eine Zunahme der Erwerbstätigenzahl um 4,8 prognostiziert, im bundesweiten Schnitt sind es vier Prozent. Dabei fällt auf, dass die Kreise im "Speckgürtel" rund um Hamburg höhere Wachstumsraten aufweisen als die Stadt selbst, was sowohl für hoch qualifizierte Arbeitsplätze wie für deren Gesamtzahl gilt. Das gleiche Phänomen zeigt sich unter anderem auch rund um München oder rund um Berlin.
"Gemeinden im Umland bieten häufig Gewerbegebiete zu relativ günstigen Konditionen", sagt dazu Michael Bräuninger, HWWI-Konjunkturchef und einer der Autoren der Studie.
Besonders dem Dienstleistungssektor werden Zuwächse prognostiziert
Gerade in Hamburg habe man diese Entwicklung gut beobachten können: "Innerhalb der Stadtgrenzen werden die geeigneten Flächen immer knapper - und zum Beispiel Logistikunternehmen haben oft einen sehr großen Flächenbedarf." Nicht immer geschehe die Ansiedlung solcher Betriebe im Umland gegen den Willen der Großstädte, manchmal sei dies ein gesteuerter Prozess, so Bräuninger: "Das ist die Grundidee von Metropolregionen."
Allerdings werden Hamburg und die umliegenden Kreise der Studie zufolge von einigen anderen Regionen Deutschlands noch deutlich übertroffen, wenn es um den Beschäftigungsaufbau geht. Für den Landkreis München etwa erwarten die Wissenschaftler einen Zuwachs der Arbeitsplatzzahl von rund 20 Prozent, für die Stadt Leverkusen sogar von 40 Prozent. Den Metropolregionen in den alten Bundesländern komme zugute, dass sie bereits über eine günstige Wirtschaftsstruktur mit einem hohen Anteil der Dienstleistungsbranchen verfügen, denen besonders starke Zuwächse vorausgesagt werden.
Lebensqualität und Bildungsangebote sind wichtig im Standortwettbewerb
In Ostdeutschland könne Potsdam ein Plus von 20 Prozent schaffen, aber auch ein touristisch geprägter Kreis wie Bad Doberan an der Ostsee werde überdurchschnittlich viele Erwerbstätige hinzugewinnen (rund zehn Prozent). "Was wir dort sehen, ist eine Erholung ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau", sagt Bräuninger. Neue Jobs entstünden dort hauptsächlich im Fremdenverkehrssektor.
Auf der Verliererseite stehen dagegen etliche andere ostdeutsche Regionen. So wird es im Jahr 2020 im Landkreis Spree-Neiße nach den Prognosen der Forscher etwa 30 Prozent weniger Erwerbstätige als heute geben. In Norddeutschland ragt die kreisfreie Stadt Wilhelmshaven mit einem Minus von mehr als 20 Prozent heraus. Auf Basis des nach Einschätzung der Wissenschaftler wahrscheinlichsten Szenarios werden 158 der 413 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland Beschäftigungsverluste verzeichnen, darunter 63 von 87 im Osten.
Dabei seien im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte und Unternehmen auch weiche Faktoren wie Lebensqualität und Bildungsangebote wichtig, heißt es in der Studie. Geld für die Regionalpolitik könne daher gezielt verwendet werden, um die Ausgangsbedingungen zu verbessern.