Die Stadt hatte das beste Konzept - aber nicht die Unterstützung der Sportverbände
Hamburg. "Es war eine Entscheidung gegen den Kommerz, für die Emotionen und den Sport. Die Bekenner des Leistungssports haben die Wahl entschieden. Deshalb sind die Stimmen im letzten Wahlgang von Düsseldorf nach Leipzig und nicht nach Hamburg gewandert, weil bei uns vier Jahrzehnte lang zu wenig für den Leistungssport getan wurde. Dafür sind wir hart bestraft worden." So kommentierte Dirk Lange, heute Schwimm-Bundestrainer, einst Coach der Schwimm-Weltmeisterin Sandra Völker, das Scheitern der Hamburger Olympiabewerbung am 12. April 2003 in München. Im letzten Wahlgang hatten die Vertreter des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) mit deutlicher Mehrheit für Leipzig und gegen Hamburg votiert.
Zuvor waren zuerst Stuttgart, dann Frankfurt am Main und Düsseldorf ausgeschieden. Leipzig fiel beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ein Jahr später schon bei der technischen Vorauswahl der Kandidaten für die Sommerspiele 2012 durch. Die Stadt habe nicht die Größe und damit nicht die notwendige Infrastruktur für die Spiele, hieß vom IOC. Hamburg, mehr als dreimal so groß wie Leipzig, hätte alle Kriterien erfüllt. London erhielt stattdessen den Olympiazuschlag.
Hamburgs damaliger Bürgermeister Ole von Beust glaubte noch andere Gründe für die Niederlage erkannt zu haben: "Hamburg wird respektiert und geachtet, alle schauen mit Bewunderung auf uns, auf die Schönheit und den relativen Reichtum der Stadt. Doch daraus resultiert auch Neid. Die Leute denken: Denen geht es so gut, die brauchen Olympia gar nicht. Und unsere unterkühlte Art wird uns häufig als Hochnäsigkeit und Arroganz ausgelegt."
Alle Fakten hatten 2003 für Hamburg gesprochen. Das NOK hatte die fünf deutschen Bewerberstädte evaluieren lassen, und Hamburg hatte das mit Abstand beste Zeugnis erhalten. Neben Frankfurt war es die einzige Stadt, die von der Prüfungskommission als olympiatauglich angesehen wurde. Doch der Großteil der 32 olympischen Sportfachverbände hatte ein Votum für Hamburg offenbar verhindern wollen. Möglicher Grund, so war es hinterher aus NOK-Kreisen zu hören: Die Stadt habe sich jahrzehntelang nicht um den Spitzensport bemüht, als es aber die Chance gab, gewinnbringend Olympische Spiele auszurichten, habe Hamburg plötzlich alle Kräfte für den Sport mobilisiert. Man hätte die Absicht gesehen und sei verstimmt gewesen.
Der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück und Zeitungsverleger Erik Schumann hatten zudem nach dem Städtetest Hamburgs angebliche Medienmacht Mitte März 2002 frontal angegriffen ("Verschwörung der Hamburger Großverlage"). Daraufhin hatte Manfred von Richthofen, der Präsident des Deutschen Sportbundes, Leipzigs überraschenden Erfolg vorausgesagt. Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte eine Woche vor der Entscheidung eine Kiste Rotwein auf Leipzig gewettet. Hamburg fehlten Verbündete dieser Qualität.