Die Hamburger Journalistin Meike Winnemuth gab sich schon mal als reiche Frau aus. Jetzt hat die 50-Jährige wirklich sehr viel Geld - 500.000 Euro.
Hamburg. Sie ist 50, und sie hat Geld gebraucht. Mit diesem durchaus frommen Wunsch steht Meike Winnemuth, eine bekannte Hamburger Journalistin, die derzeit in München wohnt und für diverse Magazine schreibt, nicht alleine da. Bei ihr ist es allerdings gleich eine halbe Million geworden, steuerfrei. Acht Millionen Zuschauer haben am Montag zugesehen - das ist Staffelrekord für "Wer wird Millionär?"
"Wo befindet man sich der Wortherkunft nach, wenn man sich verfranzt hat?", fragt Günther Jauch , der sie kennt, weil sie eine Kolumne im Magazin der "Süddeutschen Zeitung" schreibt, die der Quizmaster offenbar regelmäßig liest. "Oh dear! Das ist ja mal eine lustige Frage", antwortet Meike Winnemuth, die bereits eine Viertelmillion im Sack und noch einen Joker frei hat. Den Zusatzjoker. Ein Zuschauer aus dem Publikum soll ihr soufflieren. Sie entscheidet sich für den 19 Jahre alten Jonas Kratz, einen angehenden Jurastudenten. Denn der ist sich sicher: "Verfranzen" komme aus dem Flieger-Jargon. "Das habe ich mal im Fernsehen gesehen", sagt er gelassen.
+++ Die Quizfragen an Meike Winnemuth: Hätten Sie alles gewusst? +++
Winnemuth glaubt ihm. Und meint, dass er zwar zu jung für sie sei, aber dass sie trotzdem seine Handynummer haben will, für die Belohnung. Die Antwort ist richtig, und Jauch meint: "Im Moment bin ich etwas neben der Kapp. Denn es geht jetzt um die Eine-Million-Frage." Doch Meike Winnemuth weiß sowieso nicht, wie der zoologische Name der Brillenschlange lauten könnte. Sie steigt daher vernünftigerweise aus, und Jauch stichelt: "Würden Sie Ihre Kündigung bei der ,Süddeutschen Zeitung' jetzt im Fernsehen aussprechen?" Nein, will sie nicht.
Vor dem Duell mit dem Quizmaster und den von einer Versicherung genehmigten Fragen hat Meike Winnemuth nach eigener Ansicht jedoch zwei weitaus schwierigere Hürden überwinden müssen: zunächst das telefonische Casting Anfang August, von dem sie den Eindruck gewonnen hat, dass es "ziemlich sorgfältig" gewesen sei, "da ja in der verschlankten Form der Show jetzt mehr geredet und irgendwie weniger Wissen abgefragt wird. Ich hatte das Gefühl, die wollen von dir vor allem auch eine gute Geschichte hören - was Originelles."
Dies dürfte ihr dann doch leichter gefallen sein, denn Meike Winnemuth genießt derzeit neben ihrem Ruf als "kluge, witzige und unterhaltsame Kolumnistin, die ihre Texte manchmal bloß ein wenig zu spät abgibt" (ein Hamburger Ressortleiter) einen Ruf als "Meisterin der Reduktion und des Verzichts". Ihr Selbstversuch, 365 Tage lang stets das gleiche dunkelblaue Kleid anzuziehen und dieses Outfit höchstens durch ein paar spärliche Accessoires aufzupeppen, ist eine recht beachtete Internetseite ( www.daskleineblaue.de ). "Das ist die ultimative weibliche Mutprobe", sagt sie mit Nachdruck. Zum Glück habe sie natürlich drei identische Exemplare, die Hygiene sei also gesichert. Und als Zugabe erklärt die Sendungsbewusste den Zuschauern auch gleich, was Chiffon ist, ein feiner Stoff aus Seide.
Die zweite große Hürde war die Auswahlfrage, von allen Kandidaten, die es bis ins Studio geschafft haben, besonders gefürchtet. Hier spielt die Journalistin ihren vorhandenen Sprachschatz aus. Exakt 4,86 Sekunden benötigt sie, um den Substantiven "Bahn", "Brille", "Barsch" und "Blick" mit einem Metall zu koppeln: "Eisenbahn", "Nickelbrille", "Goldbarsch", "Silberblick". Der Einpeitscher aus dem "off" stellt Meike Winnemuth vor: "Als falsche Millionärin hatte sie zehn Blind Dates." Sie erinnert sich: "Reiche Frau sucht Mann" hieß damals die gefakte Kontaktanzeige, 154 Zuschriften habe sie damals erhalten, unter anderem habe ihr ein falscher Fürst zu Sayn-Wittgenstein geschrieben sowie ein Lübecker Stadtrat, der seinen Jagd- und Angelschein in Kopie beigelegt hatte. Prophylaktisch.
Für Meike Winnemuth sind die ersten sechs Fragen kein Problem. "Das geht ja ganz schön schnell", sagt Jauch und will erst mal Werbung machen. Doch die Kandidatin ist dagegen: "Ich bin grad so gut in Schwung, Herr Jauch." Sie lacht, eigentlich lacht Meike Winnemuth in beiden Sendungen, die ihr Spiel dauert, ziemlich viel. Die Medienprofessionelle scheint nicht aufgeregt zu sein. "Also ehrlich", sagt sie, "am Anfang im Studio war ich es doch. Da schwingt die Angst vor der Blamage mit. Aber dann später, im Stuhl Jauch gegenüber, fühlte ich mich heimelig."
Erste Probleme bekommt Meike Winnemuth mit der 32.000-Euro-Frage. Jauch will wissen, welcher Winkel einer hundertprozentigen Steigung am Berg entsprechen würde. Der 50:50-Joker hilft ihr weiter. Sie ist sich zwar noch immer nicht sicher, ob es nun zehn oder 45 Grad sind, aber sie zockt - und kommt weiter. Was eine "Drosselgrube" ist, weiß sie auch nicht, aber das Publikum im Saal lässt sie nicht im Stich. Und auch ihr "Telefonjoker" - ein Sportredakteur der "Süddeutschen Zeitung" - weiß, welcher heute noch gültige Freiluft-Weltrekord in einer olympischen Leichathletik-Disziplin am längsten Bestand hat. "Wie geil! Wie geil!" freut sich die Hamburgerin, verteilt großzügig jeweils 12.500 Euro an die beiden Besserwisser - und ein paar Dutzend Kollegen in den Redaktionen von Hamburg, Berlin und München vor den Fernsehschirmen freuen sich mit ihr. "Bisher hat niemand von den Kollegen angerufen, um sich Geld von mir zu leihen", sagt sie, "es kamen tatsächlich nur Glückwünsche."
Meike Winnemuth hat Risiko gespielt und aufs 16.000-Euro-Trostpflaster verzichtet, auf die sie zurückfallen würde. Dafür bekam sie einen Joker mehr. Hätte sie die 500.000-Euro-Frage nicht richtig beantwortet, wären ihr gerade mal 500 Euro geblieben. "Aber ich hätte wieder eine große Erfahrung mehr gewonnen", sagt sie, "andersrum ist es mir natürlich lieber." Das Geld wird ihr etwa vier Wochen nach Ausstrahlung der Sendung überwiesen.
Doch am aller schwierigsten sei es gewesen, fast drei Wochen lang den Mund halten zu müssen, so wie vertraglich vorgesehen und vorgeschrieben. Immerhin wurde ihre Sendung bereits am 28. September aufgezeichnet. "Selbst meiner Mutter habe ich nichts erzählt, um die Spannung zu erhalten." Jetzt sei sie allerdings noch ein bisschen dun vom rauschenden Fernsehabend. Meike Winnemuth ist sich nicht mal sicher, ob sie es schaffen wird, ihre Kolumne heute pünktlich abzugeben; trotz der vier Paracetamol, die sie sich seit dem Frühstück eingeworfen hat.
Jetzt überlegt sie, ein Jahr lang um die Welt zu reisen. Jeden Monat eine andere Stadt zu durchstreifen. Wenn es im November losgehen soll, wird es Bangkok sein oder Kapstadt. "Dass ich mir mit diesem Gewinn plötzlich Freiheiten nehmen kann, empfinde ich als ein großes Geschenk", sagt sie, "jetzt kann ich aus Liebe arbeiten."