Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall.

Es klingt nach schicksalhafter Begierde. Nach maßloser Leidenschaft. Zwei Menschen, die "ungebremst aufeinander zustürmen", wie eine Vertraute die Begegnung nennt. Das Treffen zweier Menschen, unwiderstehlich voneinander angezogen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie, die Witwe eines erfolgreichen Unternehmers mit Haus an der Elbchaussee, und er, der wohlsituierte Mediziner mit eigenem Flugzeug und Feriendomizilen in Südeuropa. Ein reifer Mann mit Frau und Kind, der für diese andere, diese neue Beziehung eine Menge aufs Spiel setzt. Es ist gründlich schiefgegangen. Eine verhängnisvolle Affäre.

Und eine Liaison mit juristischem Nachspiel, als Spätfolge sozusagen. Denn als es zum endgültigen Eklat kam, bei einem überraschenden Zusammentreffen in ihrem einstigen Liebesnest auf Mallorca, war die Beziehung längst beendet. Und doch soll es zu einem gewalttätigen Übergriff gekommen sein, bei dem Sabine T. im August vergangenen Jahres ihren Ex-Freund Bernhard B. mit einem Küchenmesser angriff, heißt es in der Anklage im Prozess vor dem Amtsgericht. Als der 60-Jährige ihr die Waffe entwinden konnte, so die Vorwürfe weiter, habe die 63-Jährige versucht, ihm eine Weinflasche über den Kopf zu ziehen. Bei der Abwehr des Schlags zog sich der Mediziner laut Staatsanwaltschaft eine Verletzung an der Hand zu. "Da war überhaupt nichts", schnaubt die Angeklagte nun. "Ich hatte kein Messer. Warum sollte ich auch?"

Zurückhaltung ist ihre Sache nicht. Eher schon die große Show, das Plauderhafte. Wer Sabine T. eine Stunde zuhört, kann vieles über sie erfahren. Dass die 63-Jährige "mein Lebtag noch keinen BH getragen hat" zum Beispiel und dass ein plastischer Chirurg der Arzt ihres Vertrauens ist. Doch irgendwann kommt die dunkelhaarige Hamburgerin, elegant ausstaffiert mit Samtblazer und Prada-Handtasche, auch zur zentralen Botschaft ihrer Aussage: Sie sei nicht die Täterin, sondern vielmehr das Opfer in dem Streit gewesen.

Das Haus auf Mallorca habe früher ihr gehört, ihr Ex-Freund habe es ihr inzwischen abgekauft, aber sie habe es noch nutzen dürfen, behauptet sie. Als sie sich am Tattag für einen Kurztrip dort aufhielt, sei überraschend ihr früherer Geliebter mit Ehefrau und Tochter dort aufgetaucht. Es sei zum Streit gekommen, Bernhard B. habe nach ihr getreten, sie gepackt und über den Fußboden geschleift. "Ich hatte diverse Verletzungen und heulte." Deshalb habe sie ihrerseits auch Strafanzeige erstattet.

Ein Vorgehen, das ihren früheren Freund ungeheuer empört. "Ihre Anzeige ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten", echauffiert sich der Mediziner als Zeuge. "Erst diesen Anschlag zu machen und dann die Dinge umzudrehen", sagt der kräftig gebaute Mann und streift die Angeklagte mit einem kühlen Blick. Sabine T. starrt herausfordernd zurück, mit hochgerecktem Kinn.

Zwei Jahre habe die Affäre mit seiner Ex-Freundin gedauert, erzählt Bernhard B. weiter. "Dann gab es einen Knall, sie hatte zunehmend aggressive Ausfälle, ich habe die Beziehung beendet." Sabine T. habe daraufhin in dem Haus auf Mallorca nichts mehr zu suchen gehabt. Sie müsse wohl ohne sein Wissen einen Schlüssel behalten haben.

Als er an jenem Tag im vergangenen August mit seiner Familie in dem Feriendomizil ankam, sei dort "ein unbeschreibliches Chaos gewesen, zerschmettertes Geschirr, zerstörte Bilder, aufgeschlitzte Polster". Sabine T. habe er im Bad angetroffen, es sei zum Streit gekommen. "Und plötzlich, das hätte ich nie gedacht, hatte sie ein Messer in der Hand und wollte es mir in den Bauch rammen." Nachdem er ihr die Waffe habe entwinden können, "griff sie zu einer Rotweinflasche und wollte sie mir auf den Kopf schlagen".

Aus dem Haus zur Straße geleitet wurde die Angeklagte Sabine T. schließlich von der Ehefrau des mutmaßlichen Opfers. Ein letzter dramatischer Akt der Auseinandersetzung, über den die attraktive Hamburgerin noch heute fassungslos ist. Sabine T. sei in ein Dornengestrüpp gefallen, da habe sie nun gelegen, zerkratzt, spärlich bekleidet und derangiert, erzählt die Zeugin. "Und in diesem Zustand nahm sie ihren Lipgloss, malte dick an ihrem Mund herum und sagte immer wieder: 'Ich bin schön.' Das hatte etwas Tragisches."

Um die Details des Streits aufzuklären, soll am nächsten Prozesstag ein weiterer Zeuge gehört werden.