Ein Derby habe ich noch nie gesehen. Warum? Ich bin dank frühkindlicher Prägung schwarz-weiß-blau. Und Opfer eines Aberglaubens, der mich vor vielen Jahren übermannte - und der sich leider in der Vergangenheit immer wieder als bittere Wahrheit darstellen sollte.
Es ist nämlich so: Wenn ich ein Spiel des HSV live sehe - ob im Stadion oder im TV, ist vollkommen egal - dann verliert mein Lieblingsklub. Immer. Weshalb ich seit geraumer Zeit wie selbstverständlich die Bürde auf mich nehme, emotional anstrengende Spiele meiner Herzensmannschaft bestmöglich zu ignorieren. Ich gehe auf den Tennisplatz, laufe um den Teich, feudele den Keller oder mähe den Rasen wildfremder Leute. Hauptsache, es ist kein Fernsehgerät in der Nähe.
Damit Sie sehen, wie weit der Voodoo-Wahn geht, gestehe ich an dieser Stelle meine Schuld an der Europa-League-Halbfinalniederlage gegen Fulham im vergangenen Jahr ein. Sie erinnern sich: Wir lagen lange vorn. Es ging um den Einzug ins Finale im eigenen Stadion. Eine Jahrhundertchance. Ich habe im Wissen, dass der HSV mit 1:0 vorne lag (mein Nachbar hatte einen lauten Freudenschrei ausgestoßen), in der 70. Spielminute mit zitternder Hand das TV-Gerät eingeschaltet. Genau da fiel der Ausgleich, der Rest ist Geschichte.
Meine Freunde wissen um den Fluch. Ich fürchte, sie werden mich am Sonntag kurzzeitig betäuben, vor einen Fernseher zerren und fesseln. Sie sind fast alle Paulianer.
Bis zum Hamburger Derby beschreiben Abendblatt-Redakteure ihr ganz persönliches Derby-Erlebnis. Jan-Eric Lindner ist Polizeireporter.