"Ich muss zurück. Hier wird es zu flach", rief der Kapitän der Barkasse. Der Motor röhrte nach einer kurzen Pause auf. Die Schraube drehte rückwärts. Vom schlammigen Grund des Vehringkanals stiegen im tiefdunklen Wasser schwarze, stinkende Schwaden auf. "Alles Altlasten aus dem Krieg!", entschuldigte der Skipper den Gestank. Das stimmte nicht ganz: Zum größten Teil handelte es sich um die ungefilterten Produktionsabwässer einer Altölraffinerie am Kanal.
Das war 1983. Bis in die 1990er-Jahre war im Hamburger Hafen so ziemlich alles erlaubt, was Produktionsstätten sich wünschten. Dagegen erhoben wir Umweltschützer unsere Stimme. In den 80er-Jahren fuhr ich fast wöchentlich Journalisten im Greenpeace-Schlauchboot durch den Hafen. Bei Ebbe sah man sehr deutlich die Einleitungsrohre, aus denen sich die Abwässer mal violett, mal gelb, mal dampfend in den Hafen ergossen. Die Einleitgenehmigungen waren geheim. Überhaupt war die Gegend am Fischmarkt und entlang der Großen Elbstraße damals eine Kulisse der Tristesse. An den Fischhallen kreisten ab 20 Uhr die Autos, um die Bordsteinschwalben im Scheinwerferlicht zu taxieren. Über alldem lag der leicht faulige Geruch von Phenol.
Welch anderes Bild bietet sich hier heute: Auf der Großen Elbstraße protzen bei schönem Wetter die Vorstadt-Playboys mit ihren Harleys oder Cabrio-Oldtimern. Die Investoren stehen Schlange, schicke Werbeagenturen sind herübergekommen. Ahnen sie, dass sie das alles den Umweltschützern der 1970er- und 80er-Jahre verdanken?
Auch ich selbst arbeite seit 1997 in einem dieser schönen Büros an der Großen Elbstraße. Lässig und cool geht es hier heute zu - ich sehe diese "Idylle" eher mit gemischten Gefühlen.
Gerhard Wallmeyer, 59, kam 1978 nach Hamburg. Als Mitbegründer von Greenpeace in Deutschland ist er heute für das Fundraising verantwortlich.