Der Halbleiterhersteller NXP erhält Zuschlag für die Produktion. Die neue Technik der ehemaligen Philips-Tochter ist internetfähig.
Hamburg. Die Intelligenz für den neuen deutschen Personalausweis kommt aus Hamburg. Sie sitzt in einem 0,075 Millimeter dünnen Chip und einer Kupferantenne auf einer hauchzarten Folie, eingeschlossen in den neuen Ausweis im EC-Karten-Format. Chip und Antenne, entwickelt von Ingenieuren und Mathematikern in der Hansestadt, machen die neue Ausweiskarte sogar fit fürs Internet.
Die Innovation überzeugte auch das Bundesinnenministerium. Es erteilt heute den Auftrag für die Produktion des neuen Ausweises an den Hamburger Halbleiterhersteller NXP, eine ehemalige Philips-Tochter. "Den Zuschlag sehen wir als Anerkennung für die Sicherheit und die Leistung unserer Technologie", sagt Ruediger Stroh, 48, Vorsitzender der Geschäftsführung von NXP Semiconductors in Deutschland.
Tatsächlich macht der wie ein Mikrocomputer arbeitende Chip den neuen Ausweis vom 1. November an zu einem Schlüssel für das weltweite Netz. "Künftig könnten viele der heute benutzten Passwörter und Zahlencodes wegfallen, weil mit dem Ausweis die eindeutige Identifizierung eines Nutzers gewährleistet ist", sagt der bei NXP für das Projekt zuständige Manager Christian Wiebus. Statt eines Benutzernamens und eines Passworts reicht künftig das Auflegen des Ausweises auf ein Lesegerät, das den Kontakt zum Netz herstellt. "Solche Lesegeräte können auch in Computer und Laptops integriert werden", sagt Wiebus. Zudem ist nur noch eine PIN-Nummer nötig, um mit Firmen oder Dienstleistern in Verbindung zu treten.
Ebenfalls vom Bundesinnenministerium ausgesuchte Software sorgt dafür, dass sowohl der Kunde als auch Firmen genau wissen, mit wem sie es zu tun haben. Das neue System ist im Internet durch ein neues Logo mit zwei Halbkreisen gekennzeichnet, das künftig auf der Rückseite des Ausweises und auf Lesegeräten zu sehen ist. "Deutschland ist der erste Staat, der einen solchen Ausweis einführt", sagt Stroh. Das Interesse daran ist bereits hoch.
So bereiten sich derzeit 150 Firmen auf die Einführung des neuen Ausweises vor. Infrage kommt der neue Zugang für Online-Banking oder Online-Shops, für Steuererklärungen oder auch das Buchen von Flugtickets oder Pay-TV-Sendern. "Schließt sich etwa Ebay dem System an, wissen Käufer und Verkäufer immer genau, mit wem sie es zu tun haben", sagt Experte Wiebus.
NXP, das erst Anfang August 14 Prozent der Anteile des Unternehmens an die New Yorker Börse gebracht hat, gilt als Spezialist für solche kontaktlos lesbaren Chips. Allein 75 der 88 Staaten, in denen elektronische Reisepässe eingeführt wurden, nutzen das NXP-System. Zudem werden in 600 Städten mit jeweils mehr als einer Million Einwohnern NXP-Karten eingesetzt, um so im Nahverkehr zu bezahlen. Auch nach dem Börsengang bleiben Philips und eine Gruppe von Finanzinvestoren Haupteigner von NXP. Sie konnten sich nach dem zweiten Quartal über ein Umsatzplus von knapp 300 Millionen auf 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahresquartal freuen. Der operative Gewinn hat sich fast verdreifacht.
Nach dem 2008 angekündigten Abbau von 4500 Stellen weltweit wächst NXP derzeit wieder. Hamburg, wo die Belegschaft um 800 auf noch 1800 Beschäftigte schrumpfte, profitiert davon, dass von der Hansestadt aus drei der vier Sparten des Unternehmens mit weltweit 28 000 Mitarbeitern geführt werden. Zum weiteren Wachstum soll auch der neue Ausweischip beitragen. "Wir führen international Gespräche mit interessierten Ländern, auch China gehört dazu", sagt Stroh.
Schon jetzt sucht der Konzern weiter nach Spezialisten, die Chips so programmieren können, dass sie gegen Angriffe von Hackern geschützt sind. "Dafür brauchen wir Ingenieure, Physiker und Kryptologen", sagt Stroh. Da sie schwer zu finden sind, hat das Unternehmen für 2011 eine Professur an der Technischen Universität Berlin ausgeschrieben.
Dem NXP-Chef selbst gelang der Einstieg in die Branche bei Siemens und Infineon. Später wechselte er nach San José ins Management eines Speicherchip-Unternehmens im Silicon Valley. Zuletzt gelang ihm mit einem Partner die Fusion von zwei US-Halbleiter-Firmen im Wert von acht Milliarden Dollar. Einige Zeit später meldete sich sein Partner erneut. Richard Clemmer war inzwischen Chef bei NXP in der Zentrale in Eindhoven und fragte Stroh, ob er nicht für die Firma nach Hamburg kommen wolle. Seit April steht Stroh nun in der Hansestadt an der Konzern-Spitze.