Rodrigo lässt sich gerne hängen, so wie seine Kumpels auch. Daran können selbst gutaussehende Flughund-Weibchen nichts ändern.
Hamburg. Alles Kerle im besten Alter, und noch dazu ganz unter sich. Doch selbst, wenn ein Weibchen in der Nähe wäre, würden sie ihr Verhalten nicht ändern: Rodrigo lässt sich gerne hängen, so wie seine Kumpels auch. Liegt es doch in der Natur der Sache, dass Vertreter dieser Säugetiergruppe nicht auf dem Ast sitzen, sondern daran baumeln. Rodrigo ist ein Rodriguez-Flughund.
Flughunde gehören, ebenso wie die auch bei uns heimischen Fledermäuse, zur Ordnung der Fledertiere. "Säugetiere, die fliegen! Und die noch dazu so erfolgreich, so artenreich sind! Das allein ist doch schon irre", sagt Guido Westhoff (40), Leiter des Tropen-Aquariums in Hagenbecks Tierpark. Zur Eröffnung des Hauses im Mai 2007 zog eine Junggesellen-Gruppe der stark bedrohten Tierart (im Freiland gibt es vermutlich noch 2000 Tiere, in Zoos etwa 400) in die große Halle, unter das UV-durchlässige Foliendach. Darunter Rodrigo, das Älteste der acht Tiere.
Damals bereits zwölf Jahre alt (das Höchstalter der Tiere liegt bei ungefähr 25 Jahren) kam Rodrigo mit einigen Mitstreitern aus dem Zoo in Dublin (Irland). Der jüngere Rest der Truppe kam aus dem Zoo in Köln dazu. Eine trinkfeste, feierfreudige Männerrunde, würde man zumindest bei der Spezies Homo sapiens vermuten. "Doch ob Flughunde überhaupt aktiv trinken oder die Flüssigkeit nur über die Früchte, die sie fressen, aufnehmen, weiß man noch gar nicht", sagt Westhoff und lacht.
Vieles haben die Tierpfleger im Tropen-Aquarium in den vergangenen zweieinhalb Jahren jedoch über die Tiere gelernt: dass Flughunde sich nichts vorschreiben lassen - den für sie ausgewählten und beschilderten Schlafbaum ignorierten sie von Anfang an. Dass sie sich, trotz ihrer Körperlänge von 35 Zentimetern und einer Spannweite von einem Meter, perfekt in der dichten Vegetation der Halle verstecken können - so gut, dass sie die Pfleger nur sporadisch zu Gesicht bekommen. Dass Flughunde zwar elegante Flieger sind - aber einem Krokodil an der Wasseroberfläche trotzdem nicht zu nah kommen sollten (da waren es nur noch sieben ...). Und dass Rodrigos Herz (wie auch sein Restkörper) an einer Lampe hängt: "Während die anderen ihre Schlafpositionen immer wieder ändern, ist er regelmäßig an einer Lampe in der Nähe unserer Ameisenkolonie zu finden", sagt Westhoff.
Immer wieder erlebt der Biologe den Aha-Effekt bei den Besuchern, wenn die Tiere, besonders am späten Nachmittag, über die Köpfe hinwegfliegen. Westhoff: "Witzig sieht es aber auch aus, wenn sich die Flughunde dann einmal auf dem Boden befinden und an eine der Futterschalen heranrobben. Wie kleine, unbeholfene Männer in Umhängen." Dass es sich bei der hagenbeckschen Gruppe nur um Männchen handelt, ist dem bedrohten Status der Tiere geschuldet: Die Hamburger Männer sind sozusagen ein genetischer Reservepool für die anderen in Zoos befindlichen Flughunde. In ihrer ursprünglichen Heimat, der Insel Rodriguez im Indischen Ozean, hatten in den 70er-Jahren mehrere Wirbelstürme den Bestand der Art bedrohlich dezimiert.
Rodrigo geht es jedenfalls gut. Tag für Tag hängt er an seiner Lampe, lässt sich Obst und Gemüse servieren und klaut höchstens einmal einem der Vögel einen Mehlwurm. So viel zum fiesen Vampir-Image.
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