Die Schiffsfinanzierung bisheriger Form ist in der Krise
Wenn der Chef eines DAX-Konzerns seinen Kurs innerhalb von drei Monaten um 180 Grad ändert, liegt die Vermutung nahe, dass es um das Unternehmen nicht gut steht. Genau das hat der Commerzbank-Vorstandsvorsitzende Martin Blessing getan: Noch im März erklärte er die Schiffsfinanzierung zum Kerngeschäft, nun wird sie abgewickelt.
Ganz offensichtlich fürchtet Blessing, dass im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise, die sich zuletzt abermals verschärft hat, noch einiges auf die Bank zukommt. Daher tut er alles, um die Risiken im Konzern zu verringern. Der chronisch schwankungsanfällige Bereich Schiffsfinanzierung hat damit keine Zukunft mehr.
Auf kurze Sicht mag das eine für die Commerzbank sinnvolle Entscheidung sein. Für den Finanzstandort Hamburg ist das aber ein weiterer schwerer Rückschlag. Schließlich muss der Weltmarktführer in diesem Bereich, die HSH Nordbank, aufgrund von Auflagen der EU-Kommission das Geschäft drastisch zurückfahren.
Bitter sind die Konsequenzen auch für die norddeutschen Reeder, vor allem für die kleineren unter ihnen. Denn es ist absehbar, dass in dem veränderten Umfeld, in dem auch ausländische Banken angesichts verschärfter Eigenkapitalanforderungen und erschwerter Refinanzierung nicht mehr im bisherigen Umfang Kredite vergeben können, wohl allenfalls die führenden Reeder noch mit einem halbwegs ausreichenden Darlehensangebot rechnen können.
Kleinere Betreiber von Containerschiffen sind damit sogar doppelt benachteiligt, weil ebenso das traditionelle Modell der Eigenkapitalbeschaffung über Schiffsfonds praktisch zusammengebrochen ist - auch dafür ist Hamburg der wichtigste Standort in Deutschland. Es geht nun darum, völlig neue Ideen für die Schiffsfinanzierung zu entwickeln. Hamburg sollte sich bemühen, dabei eine führende Rolle zu spielen. Die Voraussetzungen dafür dürften nicht schlecht sein, denn die über viele Jahre angesammelten Branchenkenntnisse sind ja nicht über Nacht verschwunden. Und fest steht: Bei den heftigen Ausschlägen in der Schifffahrt wird es eines Tages auch wieder rasant nach oben gehen.